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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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weckenden Diener an der Thür des Schlafzimmers einzutreffen. Dem Diener sage man dann, daß man heute früher als gewöhnlich das Wasser getrunken habe, sich wieder niederlegen und noch einige Stunden schlafen wolle. Sagt hierauf der Diener nichts, so weiß er alles, und thut er, als wenn er irgend etwas sagen wolle, so weiß er gleichfalls alles.
    Das späte oder richtiger frühe Heimkehren ist im Sommer nur deshalb sehr fatal, weil dann schon in den ersten Morgenstunden das freundliche Dunkel fehlt. Namentlich ist es schwer, die Haltung zu bewahren, wenn man von den Männern und Frauen gesehen wird, welche der Beruf bei tagschlafender Zeit auf die Straße nötigt. Hierher gehören die Droschkenkutscher, die Brot- und Zeitungsträger, die Schutzmänner und ähnliche wackere Leute. Der von der Arbeit heimkehrende Einbrecher sei hier nur erwähnt, weil man von ihm vielleicht mit einem dankbaren Blick betrachtet wird, der sich dadurch erklärt, daß er die Menschen wohlwollend auszeichnet, welche nachts nicht zu Hause zu sein pflegen. So stört er sie nicht, und er wird nicht von ihnen gestört. Man sehe sich einen solchen Mann aber genau an. Vielleicht kommt er gerade aus der Wohnung, die man jetzt aufsucht und ausgeplündert findet.
    Man unterlasse es nicht, während des Sommers in den Wirtshäusern, welche man, wenn es schon Tag geworden, verläßt, ein Handtuch zu deponieren. Dies hängt man über den Arm oder nimmt es zusammengerollt in die Hand, um auf dem Nachhauseweg als zum Baden Gehender zu gelten. Sollte aber jemand bei diesem Anblick lachen, so kennt er den allgemein bekannten Tric bereits.
    Man verzögere die Frühheimkehr nicht dadurch, daß man noch die Morgenblätter abwartet. Denn um diese Stunde bedarf man keiner künstlichen Mittel, um einzuschlafen, und die nach Schluß der Redaktion eingetroffenen Telegramme pflegen meist ebenso unwichtig zu sein, wie die vorher eingetroffenen.
    Man setze sich nicht auf eine Bank im Tiergarten, um sich an dem köstlichen Frühgesang der lieben Vögel zu erquicken, denn gewöhnlich hat man bei solchen Gelegenheiten eine goldene Uhr bei sich, bis man beim Erwachen entdeckt, daß man gefleddert worden ist. Das gegen das Leichenfleddern vielfach empfohlene Mittel, bei der Heimkehr eine Weckuhr mitzuführen, falls man einen großen Park passiert, hat sich nur insofern bewährt, als der Leichenfledderer auch die Weckuhr mitnahm.
    Kommt auf solchem Heimweg ein Herr mit schwerem Knotenstock und Ballonmütze hinter einem Busch hervorgesprungen, so sei man ganz ruhig und frage ihn, was die Uhr sei. Antwortet er mit einem Hieb, so sei man schon fort, denn der Schutzmann kann nicht überall sein.
    Wird man in aller Frühe von einer Dame um Schutz gegen einen Mädchenjäger gebeten, so bitte man diesen Verfolger um Schutz gegen die Dame. Es ist dies wohl das einzige Mittel, mit blauem Auge davonzukommen. Für das blaue Auge läßt man natürlich Portemonnaie und Uhr in den Händen des vermeintlichen Mädchenjägers zurück, während die Dame sich mit einem einfachen Siegelring begnügt.
    Ist man das Opfer einer solchen Komödie geworden und wünscht man außerdem in unbezwinglichem Ehrgeiz einen Lacherfolg, so erzähle man den Freunden, was passiert ist und sorge für Veröffentlichung dieses Vorfalls in den Tagesblättern als Beweis für die Unsicherheit in der nächsten Umgebung der Stadt. Natürlich hört man von keinem Freunde, daß nur einem ganz dummen Kerl dergleichen passieren könne und auch, daß Dummheit eine Gottesgabe sei, für welche man nicht genug dankbar sein könne, aber man merkt doch bald an gewissen Neckereien, daß man sich einmal wieder sehr beliebt gemacht habe. Addiert man dann den Inhalt des Portemonnaies und den Wert der Uhr und des Siegelrings, so spielt diese Summe eigentlich keine Rolle gegenüber dem Vergnügen, welches man seinen lieben Freunden gemacht hat.
    Ist man gefleddert oder in der geschilderten originellen Weise beraubt, so bemühe man den auf den Hilferuf herbeieilenden Schutzmann nur dann, wenn Fledderer oder Parkräuber von diesem Beamten noch erreicht werden kann. Im anderen Fall behellige man den Beamten oder die Behörde nicht mit dem Vorgefallenen, da man nur dadurch Plackereien aller Art, als da sind: Besuche in Polizeibureaus, Konfrontationen der eingezogenen Verdächtigen, Durchsehen des Verbrecheralbums und ähnlichen zeitraubenden Geschäften auszuweichen vermag. Dagegen darf man überzeugt sein, daß man Portemonnaie, Uhr

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