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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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und Siegelring nicht wiederbekommt. Indem man also nicht noch viele kostbaren Stunden dazu opfert, verringert man dann den Ärger über den Verlust um ein Erkleckliches. Dies werden alle loben, namentlich die Polizeibeamten, welche sich freuen, nicht fortwährend an die Unthaten der Verbrecher erinnert zu werden.
    Kommt man trotzdem wieder in den Besitz des Geraubten, so lese man die Schillersche Ballade: der Ring des Polykrates und suche die Erinnyen zu versöhnen. Wie dies anzustellen sein wird, das wird man wohl selbst am besten wissen. Das Einfachste wäre ja, genau wie Polykrates zu verfahren, aber es ist dies nicht besonders zu empfehlen, weil auf den Fisch kein Verlaß ist, der den Ring in die Küche zurückzuliefern haben würde. Es ist schon vernünftiger, man begnüge sich mit der Wiedererlangung des Gestohlenen und stelle keine weiteren Experimente an, die Götter, die augenscheinlich auf Verderben sinnen, in eine versöhnlichere Stimmung zu versetzen. Das Beste ist schon, man nehme das Geld, das man den Göttern opfern wollte, verzehre es in guten Rotweinen, zu denen man die Freunde einladet, und warte das Weitere ab.
    Es bedarf wohl für den vernünftigen Mann nicht unliebsamer Vorfälle, um die Sehnsucht nach dem völligen Ausspannen und Erholen immer frisch zu halten. Zwar heißt es, daß Arbeit das Leben süß mache, aber das Ausspannen und Erholen macht es doch auch nicht bitter.
    Um ausspannen und sich erholen zu können, muß man arbeiten. Man arbeite also auch im Sommer. Man kann allerdings auch ausspannen und sich erholen, ohne zu arbeiten, wozu nichts weiter als eine hinreichende Rente nötig ist. Das letztere bleibt vorzuziehen.
    Ausspannen und sich erholen heißt Nichtsthun. Es geschieht zur Beruhigung der Nerven und zum Sammeln neuer Kräfte, welche man braucht, um die Nerven wieder zu beunruhigen. Wer sich nun schämt, nichts zu thun, und behauptet, er könne nicht Nichts thun, weil das Nichtsthun ihm die größte Arbeit sei, der ist auch sonst ein Heuchler.
    Eine Dame weiß nicht, was ausspannen heißt, indem sie in einem Badeort täglich dreimal Toilette macht, um dem Publikum stets neue Kleider und neue Hüte zu zeigen. Sie wird dann allgemein bedauert, weil sie doch so angestrengt arbeitet und es eigentlich nicht nötig hat.
    Die Männer haben viele Formen, in den
Ferien
    nicht auszuspannen und sich nicht zu erholen. Sie suchen den Frauen zu gefallen, spielen Karten, unternehmen große Fußtouren, hören alte Anekdoten an und unterhalten sich über Politik, bis die Ferien zu Ende sind und die Berufsarbeit wieder beginnt, in der sie sich dann langsam von den Anstrengungen der Ferien ausruhen.
    Wenn man kein Talent zum Ausspannen und zum Erholen hat, so thut man gut, die Ferien unbenutzt zu lassen, da diese sowohl für den Körper, als auch für die Kasse zu anstrengend sind.
    Selbst wenn man noch jung ist, strengt das Verliebtsein in den Ferien zu sehr an, um als Erholung gelten zu können. So schön Schiller diesen Herzenszustand schildert, so ist dieser doch bei näherer Betrachtung nicht von körperlicher und seelischer Anstrengung frei. Des Jünglings Alleinirren, das Hervorbrechen der Thränen und das Fliehen aus der Brüder wilden Reihn, indem er zugleich ihren Spuren folgt und das Schönste auf den Fluren sucht, sind unmöglich mit dem Begriff des Ausspannens zu vereinbaren.
    Ist man verheiratet, so ist die Frage, ob man in Gesellschaft der Familie oder allein ausspannen soll, nicht so einfach zu beantworten. Es kommt hierbei auf den Grad der Verheiratung an. Ist der Gatte sehr oder gar ungemein verheiratet, so ist es der Ausspannung von Vorteil, wenn der Gatte allein seine Ferien verbringt, wenn er gewissermaßen in stiller Zurückgezogenheit von der Werkeltagsarbeit genesen will oder soll.
    Auf manchen Gatten wirkt schon eine leider oft so kurze Trennung von vier Wochen wie ein Wunder, wenn der Gatte in zu reichem Maße verheiratet ist. Schon in der ganz wie neu erscheinenden Zärtlichkeit in den Briefen und auf den bunten Postkarten spricht sich die Wohlthat deutlich aus, welche eine Trennung darstellt, ohne daß die zum Ausdruck kommende Sehnsucht echt zu sein braucht. Sind die beiden Orte telephonisch verbunden und plaudert der Gatte mit seiner Frau mittels dieser herrlichen Erfindung, so wird auch der Fernstehende zugeben müssen, daß sich in diese oft fünf Minuten ununterbrochen währende Unterhaltung kein Mißton drängt, wie er so gern im persönlichen Verkehr ohne

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