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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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die nächstfolgende gelingt und dadurch der Schadenfreude des geehrten Publikums Abbruch thut.
    Bekommt man im Gedränge einen Fußtritt, so sieht man sich genau den Herrn an, von dem man den Tritt bekommen hat. Macht er den Eindruck eines starken Mannes, der eine Erniedrigung darin erblicken würde, um Verzeihung zu bitten, so sage man nichts, sondern denke ziemlich rücksichtslos und aufgebracht, ohne die Gedanken auf die Wagschale zu legen. Ist aber der Tretende eine bescheidene, liebenswürdige Erscheinung und sucht er nach Worten der Entschuldigung, so setze man ihn mit scharfen Redensarten zurecht, erkläre sein Benehmen für unqualifizierbar und wünsche sich Glück, daß man sich so, wie es geschieht, zu beherrschen vermag.
    Hat der Feuerwerker die Schlußnummer »Das Bombardement von Sebastopol« genannt, so finde man sich darein. Allerdings könnte sie auch »Die Seeschlacht bei Helgoland« oder »Liebeständelei« oder »Der Brand von Moskau« heißen, aber auch jeder dieser Namen wäre höchst unpassend. Selbst wenn die Nummer »Die letzten Augenblicke Richard des Dritten« hieße, würde sie vielleicht richtiger »Also spricht Zaratustra« oder »Waterloo« oder »Götterdämmerung« betitelt sein.
    Hat sich eine Dame, um besser sehen zu können, auf einen Stuhl gestellt, so halte man sie, wenn man nicht ihr Gatte oder Bruder ist, nicht an den Füßen fest, damit sie nicht herunterfalle. Es giebt Gatten und Brüder, welche dergleichen gern selbst thun, wenn es nötig erscheint.
    Verehrt man aber in der auf dem Stuhl stehenden Dame seine Gattin oder Schwester, so sei man nicht besorgt, daß sie abstürze, und bekümmere sich um ihre Füße nicht. Man bekunde die Sorgfalt in anderer Weise, etwa dadurch, daß man der Dame ein Butterbrot oder ein Glas Bier oder Wein hinaufreicht. Dies wird wohl auch dankbarer anerkannt, als das in den meisten Fällen ganz überflüssige Festhalten der Füße.
    Während des Feuerwerks pflegt der übrige Teil des Parks um so dunkler zu sein, da die Verwaltung die Verfinsterung nicht unbenutzt läßt, um den Aktionären den beruhigenden Beweis zu liefern, daß sie sparsam sei. Diese Sparsamkeit wird dadurch in das richtige Licht gerückt. Der Teil des Parks, in welchem dies geschieht, wird gern von Pärchen ausgesucht, welche fürchten, die Zuschauer des Feuerwerks zu stören. Da dies die Folge hat, daß der dunkle Teil des Parks ungemein stark frequentiert wird, so suche man ihn nicht am Arm einer Freundin auf, wenn man auf diesem Abstecher nicht erkannt sein will. Auch findet man die Bänke und Stühle bereits besetzt und würde dadurch zum Promenieren gezwungen, was in der Dunkelheit mit Gefahren verknüpft ist.
    Die Zeit der
Kiebitz-Eier
    zeichnet sich durch bedauerliche Kürze aus, und wenn sie auch eigentlich nicht dem Sommer angehört, so darf sie doch hier eher, als in einer anderen Jahreszeit mit Interesse betrachtet werden. Sie empfiehlt sich wegen ihres raschen Vorübereilens besonderer Sorgfalt. Man nehme also eine Einladung zum Kiebitz-Eier-Essen schon deshalb an, weil dies wegen der teuren Kiebitz-Eier-Preise vorteilhafter ist, als selbst dazu einzuladen.
    In der ersten Woche ist das Kiebitz-Ei meist unerschwinglich teuer. Man hasse deshalb den genannten Vogel nicht, er kann nichts dafür und hat auch nichts davon. Bekommt man nun in den Tagen der größten Teuerung eine Einladung, so nehme man sie ohne Rücksicht auf das Vermögen des Einladenden an, indem man sich sagt, daß man demselben eine große Ehre erweise. Es ist dies eine schöne Beruhigung für einen Gast, der gerne Kiebitz-Eier ißt, sie aber nicht gerne selbst bezahlt. Man greife auch zu und sei überzeugt, daß der höchste Preis an dem guten Geschmack der Kiebitz-Eier nichts ändert.
    Hat man so viele Eier gegessen, daß man nicht mehr essen kann, so nehme man das Wort, um auseinander zu setzen, daß man das Kiebitz-Ei für ein Vorurteil halte und ein gewöhnliches frisches Hühner-Ei dem kostspieligsten Kiebitz-Ei vorziehe. Es kann dies zwar dem Wirt keine Freude machen, aber auch dem Redner nicht schaden, da eben wegen der Kürze der Kiebitz-Eier-Blüte eine zweite Einladung überhaupt nicht erfolgen würde.
    Man vergesse nicht, das Kiebitz-Ei in die Innenfläche der linken Hand zu stellen und es dann mit der rechten Hand breitzuschlagen. Man weiß natürlich nicht, weshalb. Hierauf schneide man die harte Spitze des Kiebitz-Eies fort, ohne ebenfalls den Grund zu wissen. Aber für die Umgebung ist

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