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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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vorteilhaft, während man selbst keinen Nutzen davon hat, denn es sind immer Männer vorhanden, welche von ihren Frauen keine Eifersucht zu fürchten haben, und gegen solche Männer kann sich kein Strohwitwer schützen. Man kann aber von ihnen sehr viel lernen, denn sie liefern Beweise von großer Schlauheit, wenn sie von ihren Frauen keine Eifersucht zu fürchten haben.
    Man findet dann und wann einen Strohwitwer, welcher die Briefe seiner Gattin vorliest. Solchem weiche man aus, weil Briefe, welche vorgelesen werden, nie etwas enthalten, was wert ist, vorgelesen zu werden. Namentlich steht in solchen Briefen nichts, was der Gatte nicht erfahren darf, und alles, was er erfahren darf, ist uninteressant.
    Man merke sich endlich, daß einem der »Fremde« nicht mehr geglaubt wird. Ist man also Strohwitwer, so rede man nicht von seinem Fremden, sondern überlasse es jedem Bekannten, an solchen zu glauben. Redet man von ihm, so hält man ihn für ersonnen, um ungestört bummeln zu können und obenein als Opfer der Freundschaft zu gelten. Am allerwenigsten spreche man von einem Fremden in den Briefen an die Gattin, welche dadurch leicht herbeigelockt werden kann und dann nicht wieder zu entfernen ist. Der Fremde erfreut sich überall eines schlechten Rufs, weil er meist eine Erfindung ist. Der erfundene Fremde gilt als ein nichtswürdiges Geschöpf, dem der wirkliche, der doch moralische Grundsätze haben könnte, vorgezogen wird.
    Ein Beweis für das Schauderhafte, das sich an die Erscheinung des Fremden knüpft, ist der Umstand, daß noch keine Frau auf die Idee gekommen ist, ihrem Mann brieflich oder mündlich anzuzeigen, sie habe einen Fremden. Noch in keinem Scheidungsprozeß spielte der Fremde einer Frau eine Rolle, der Fremde ist eine Ausgeburt der Männerphantasie.
    Der wirkliche Fremde eines Mannes hat die furchtbare Eigenschaft, daß er nicht geführt wird, sondern führt. Der Fremde zeigt einem Manne in dessen eigener Stadt erst alle ihre Schlupfwinkel und Sümpfe und ist daher mit vollem Recht von den Gattinnen gefürchtet.
    Wenn ein Fremder eine Stadt als Sündenbabel schildert, so kann man sicher sein, daß er beigetragen hat, sie dazu zu machen.
    Eine sehr angenehme Erscheinung in den Sommerfrischen, Kurorten, Strandstädten und Heildörfern sind
die Strohwitwen.
    Sie beleben den gewöhnlich sehr langweiligen Ort dadurch, daß sie ohne ihre Schuld Grund zu Erzählungen geben, an denen kein wahres Wort ist, besonders wenn sie mit der Versicherung verbreitet werden, daß man es ganz genau wisse. Wird aber das Ehrenwort gegeben, daß die Erzählung wahr sei, dann ist sie sicher unwahr.
    Lernt man eine Strohwitwe kennen, so erkundige man sich, ob sie nicht etwa ein Strohfräulein ist. Denn meist ist es sonst zu spät und es ist zu der Witwe dann kein Mann zu finden, der die Rechnungen bezahlt. Dann bezahle man sie, ohne zu fürchten, daß dies als beleidigend zurückgewiesen wird. Nur Mut!
    Gleich nach dem Vergnügen, eine Strohwitwe kennen zu lernen, erkundige man sich nach ihren Lieblingsblumen und nach ihrem Lieblingskonfekt. Da dies meist die teuersten auf ihrem Gebiet zu sein pflegen, so kann man leicht berechnen, wie viel man täglich spart, wenn man sie sogleich wieder vergißt.
    Trifft man in größerer Gesellschaft mit dieser Dame zusammen und bringt sie das Gespräch ganz zufällig auf das Theater, so sage man, das Theater sei total ausverkauft. Es ist dann sicher ein anderer anwesend, welcher sich anheischig macht, mit Hilfe seiner großen Verbindungen noch eine Loge zu bekommen, wie sie die Strohwitwe wünscht. Diese Aufdringlichkeit läßt man sich gefallen, um keine Mißstimmung in den Kreis zu bringen, was allgemein anerkannt wird, auch bei solchen Herren, welche wußten daß überhaupt noch kein Theaterbillet verkauft war.
    An Gesprächen über reizende Gegenstände, welche die Strohwitwen in den Schaufenstern namentlich der Juwelierläden gesehen haben, beteilige man sich nicht unter dem ausdrücklichen Bemerken, daß man nichts davon verstehe. Man fange lieber ein Gespräch über neue Erfindungen in der Elektrizität an, von denen man erst recht nichts versteht.
    Treffen Verwandte der Dame ein, so störe man sie nicht, auch wenn sie nicht mit ihr allein sein wollen, was man nicht zu wissen braucht.
    Wird die Strohwitwe, was anzunehmen ist, während der Sommerfrische von einem Geburtstag erreicht, so sei man diskret und wisse nichts davon. Im Fall sage man den indiskreten Wissenden, daß einer

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