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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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und ein Platzregen einträte, während sie zu Hause blieben.
    Bekommt man auf die Frage, ob es regnen wird, eine bejahende Antwort, so nehme man trotzdem den Regenschirm und Regenmantel mit, denn die Bejahenden könnten Recht haben.
    Ist es sehr schwül und ist man kein Freund großer Hitze, so freue man sich, ablehnen zu können, wenn man zu einer Vergnügungsstrapaze eingeladen wird. Hierher gehören das Bergsteigen, das Tanzen, das Dichten, das Gesellschaftsspiel, das Photographiertwerden und das Vorlesen.
    Befindet sich in der Gesellschaft ein liebenswürdiger Onkel, der sich als Athlet einen gefürchteten Namen gemacht hat, so entferne man sich, wenn er Kinder dadurch angenehm zu unterhalten sucht, daß er sie in die Luft wirft und wieder fängt und den Zuschauern andere Beweise seiner schönen Kraft liefert. Denn gewöhnlich passiert ein Unglück, oder man wird nervös. Hat man selbst Kinder, so nehme man sie mit fort, und dann halte man sie von jeder Gesellschaft fern, in welchen sich dieser Knote befindet, der sicher, ohne es zu wissen, schon etliche Kinder verkrüppelt hat.
    Hier wäre es vielleicht am Platz, etwas über
Kinderspiele
    zu sagen, zu welchen das schöne Sommerwetter die Veranlassung bildet und zu denen Männer wie der bezeichnete Athletenonkel die Kinder ermuntert.
    Schlägt er das spanisch-amerikanische Kriegsspiel vor, so verbiete man ihm dies und zwar, wenn nötig, grob, da diejenigen Knaben und Mädchen, welche die spanische Armee bilden, körperlich verletzt werden.
    Auch realistische Komödien, so modern und beliebt solche sind, lasse man die Kinder nicht spielen, da gewöhnlich die kleinen Mädchen, welche die Frauen darstellen, zu sehr mißhandelt werden.
    Was die
Kindergarderoben
    betrifft, so brauchen diejenigen Mütter, welche ihre Kleinen gerne dem allgemeinen Gelächter preisgegeben sehen, wenig an deren Anzügen zu ändern, sondern sie nach wie vor genau nach den Vorschriften der Modeblätter zu kleiden.
    Ist man eine dieser Mütter und hat kein Auge dafür, daß die Kleinen ausgelacht werden, so darf man auch überzeugt sein, daß man es von den Kleinen nicht erfährt, da diese es natürlich nicht merken, und also können die Kleinen ja so bleiben.
    Hält sich eine Dame über die Garderobe der Kinder einer anderen Dame auf, so darf man überzeugt sein, daß ihre eigenen noch schlimmer angezogen sind, ohne daß sie es bemerkt. Man erzähle solchen Müttern die unwahre Begebenheit, welche sich neulich im Zoologischen Garten zugetragen habe. Ein Wärter habe ein so auffallend grotesk angezogenes Kind in der Meinung, es sei dem Affenhaus entsprungen, eingefangen und ins Affenhaus getragen. Aber auch diese Erzählung, die man auch aus dem Affentheater mitteilen kann, wird nichts nützen.
    Glaubt man im Sommer, daß man sich vom Mittag an nicht genug wird langweilen können, so gehe man in das
Frühkonzert,
    durch welches in größeren Städten die Inhaber öffentlicher Gärten schon in der Frühe die Bewohner an das Geldausgeben gewöhnen.
    Wenn man in einer größeren Stadt während des ganzen Tages das Bedürfnis, Lärm zu hören, nicht vollständig zu befriedigen vermag, so beginne man den Tag mit dem Besuch eines Frühkonzerts, in welchem von einem halbwegs gut besetzten Orchester, sowie vom Publikum und von den Kellnern so viel Spektakel gemacht wird, daß man das Etablissement befriedigt, d. h. zur Genüge betäubt, verlassen kann.
    Wer sich darüber beklagt, daß der Tag in einem Frühkonzert zu still begonnen habe, der spreche mit einem Ohrenarzt, welcher ihm vielleicht den Rat erteilen wird, mit einem Psychiater zu sprechen.
    Man frage einen Musiker vom Frühkonzertorchester, ob er sich gern in einem Frühkonzert befinde, und er wird antworten, daß er das Publikum für verrückt halte.
    Nach meiner Meinung ist das Frühkonzert etwas für Verräter. Denn, wie ein Bibelwort sagt, der Verräter schläft nicht. Er kann also in aller Frühe nichts besseres thun, als aufstehen und ein Frühkonzert besuchen. Man wird es ihm gönnen.
    Wenn man versuchen will, festzustellen, ob man am andern Tag Glück hat, oder nicht, so nehme man sich schon am Abend vor, am folgenden Morgen ein Frühkonzert zu besuchen. Vielleicht verschläft man's und hat den ganzen Tag Glück.
    Man sage im Frühkonzert jedem, der es wissen will, daß man ein passionierter Frühkonzertbesucher sei. Sonst wird angenommen, man habe Wanzen, könne deshalb nicht schlafen und sei nun infolgedessen ein so frühzeitiger

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