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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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Musikfreund. Trifft dies zu, so sei man überzeugt, daß man im Frühkonzert von irgend einem anderen Ungeziefer geplagt wird.
    Man nehme in das Frühkonzert aus der Apotheke ein Mittel gegen Mückenstiche mit. Es ist aber nicht so nützlich wie das Konzertprogramm, das man an der Kasse bekommt.
    Wer verliebt ist und nichts lieber hat als ein Rendezvous, bei welchem ein Pärchen von allen Seiten scharf beobachtet wird, der entschließe sich rasch zu einem Stelldichein im Frühkonzert. Es wird ihm nichts zu wünschen übrig bleiben.
    Ist man mit einem Kater aufgewacht und möchte ihn nicht los werden, so führe man ihn ins Frühkonzert und man wird ihn wohlbehalten wieder mit nach Hause bringen. Er braucht zu seiner Erhaltung kaum etwas mehr als um sieben Uhr in der Frühe ein Potpourri, und eine Ouverture gegen halb acht Uhr. Oft genügt schon das eine.
    Eheleute, welche sich gerne schon in aller Frühe zanken, ist der Besuch des Frühkonzerts nicht zu empfehlen, da die Musik mit ihrem besänftigenden Wesen den ehelichen Streit nur stört, nicht beseitigt. Oft facht sie den Zank auch noch zu hellerer Flamme an, wenn das Orchester gewisse Nummern des Programms erledigt, deren Inhalt provoziert und reizt. Hier seien Ehepaare namentlich dringend gewarnt vor dem Prügelchor aus den Meistersingern, dem Gedankenaustausch zwischen Ortrud und Telramund aus dem Lohengrin, den Zankduetts aus der Angot und den lustigen Weibern, dem Sängerkrieg und der großen Kampfscene aus dem dritten Akt der Hugenotten, welche schon Scheidungen zur Folge hatten. Sie sind daher nur Ehepaaren, welche sich mit Musikbegleitung trennen wollen, zu empfehlen.
    Will man sich davon überzeugen, wie wenig fruchtbar auch ein Regen sein kann, so warte man solchen im Frühkonzert ab. Denn dieses wird dann im Saal fortgesetzt.
    In vielen Familien wird von den Hausfrauen das Eintreffen des Sommers durch eine beliebte Ceremonie, genannt das
Einmotten,
    gefeiert. Dieses besteht darin, daß die Damen-, Herren- und Kindergarderoben und andere Textilgegenstände des Hauses mit scharfriechendem Pulver vollgestreut werden, wodurch, wenn das Pulver nicht ganz frisch und obenein nicht echt ist, den Motten verraten wird, wo ihr Futterplatz sich befindet. Solchen Tag nutze man in seiner Eigenschaft als Gatte aus, indem man sich entfernt und erst spät abends heimkehrt. Freunde mit guten Nasen wird man sich vom Leibe halten, so daß man ganz frei ist. Am folgenden Tag wird man diese Komödie wiederholen, so daß die Gattin und Kinder ungestört niesen können.
    Es werden Wiederholungen stattfinden, bis der Verein gegen Tierquälerei sich der Motten annimmt und zwar natürlich ohne Erfolg. Doch spricht ein anderer Grund gegen das Einmotten. Da der Wäscheboden eine große Anziehungskraft auf die städtischen Diebe, Flatterfahrer genannt, ausübt, so wird diese Kraft dadurch verstärkt, daß das auf dem Wäscheboden in Sicherheit gebrachte Eingemottete ein charakteristisches Aroma ausströmt, aber nicht stark genug, die Diebe fernzuhalten, sondern nur stark genug, ihnen den Schlupfwinkel der Garderobenstücke zu verraten. Man lasse also die Gattin alles sorgfältig einmotten und versichere sich dann gegen Einbruch.
    Sind im Herbst die eingemotteten Sachen noch vorhanden und nicht nur die Motten, sondern auch die eingemotteten Sachen verdorben, so braucht man nur diese Sachen neu anzuschaffen, da die Motten aus eigenem Antriebe wieder erscheinen.
    Sehr beliebt und allgemein verbreitet ist auch, wenn der Sommer gekommen ist, das
Einkleiden der Möbel
    und Gaskronen, wodurch die Wohnung ein ödes Ansehen erhält und einen sehr ungemütlichen Eindruck macht. Dies verhindert indes nicht, daß während der Abwesenheit der Bewohner die Etage ausgeräumt wird, bei welcher Gelegenheit dann den Einbrechern auch die Möbelbezüge in die Hände fallen, worauf sie aber keinen Wert legen.
    Finden in der Wohnung der Verreisten Dienstbotenfeste statt, so schonen die Dienstboten die Bezüge der Möbel dadurch, daß sie dieselben für den betreffenden Abend entfernen und dadurch der Wohnung wieder einen freundlichen Charakter verleihen. Den Dienstboten erwachsen dadurch keine Kosten.
    Familien, welche auf Ordnung halten, dürfen während ihrer Abwesenheit aus zwei Gründen vollkommen ruhig sein. Wurde die Wohnung ausgeräumt, so ist es gut, daß sie nicht zugegen waren, da sie nicht wissen können, was, wenn sie zugegen gewesen wären, die Einbrecher ihnen zugefügt hätten, und ist die

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