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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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nichts Gereiftes.“
    Herder lachte. „Da habe ich anderes gehört ...“
    Lewis zog die Stirn kraus. Warum war Weimar nur so ein Dorf und jeder Einwohner ein solches Plappermaul? Wer wusste, wem Wieland noch von seinem geheimen Entwurf erzählt hatte.
    „Herr Herder, bitte! Über nicht Spruchreifes soll man ... auch nicht sprechen!“
    „Schon gut“, entgegnete Herder, „ich wollte nur nicht, dass Sie Ihr Licht unter den Scheffel stellen.“
    „Ein Dichterkollege, wie angenehm“, sagte Hardenberg. „Aber spielen wir das Spiel doch auch andersherum! Herr Lewis, sagen Sie, was ist Herrn Herders Profession?“
    „Medizin“, sprach Lewis und überlegte kurz, eine kleine Bosheit anzufügen. Stattdessen nahm er das Messer vom Teller und schlitzte die daraufliegende Wurst mit einer großen Geste von einem Ende zum anderen auf. Hardenberg lachte auf, und Herder schaute ein wenig pikiert.
    „Ein guter Hinweis“, entgegnete Hardenberg schließlich. „Sie sollten zunächst einmal essen, so wie auch ich.“ Er sah skeptisch auf seinen Teller mit den nunmehr kalten Nierenschnitten. „Dann können wir draußen einen lauschigen Platz zum Plaudern aufsuchen.“

    Bald verließen sie das rauchgeschwängerte Innere des Wirtshauses und bummelten durch die Gassen mit den hochgiebligen Häusern und den Rundbogentoren, die in steinbelegte Flure führten. Hier und da spazierten in kleineren Gruppen Studenten umher, die rauchten, scherzten und anderen Passanten Dinge zuriefen. Allen war eine Ausstrahlung zu eigen, die zeigte, dass sie sich für ehrenvoll und unbesiegt hielten, ganz im Sinne der Worte Voigts, nach denen die Studenten sich mit dem Ethos von Offizieren identifizierten.
    „Wie wäre es“, fragte Hardenberg plötzlich, „wenn wir zur Verdauung auf den Hausberg stiegen? Von dort hat man einen herrlichen Ausblick auf das Saaletal!“
    „Eine wunderbare Idee“, meinte Herder, „und wenn ich dort oben zu müde zum Schauen bin, dann lasse ich mir von meinen beiden Dichtern die Landschaft beschreiben ...“
    Lewis, der zwischen den beiden ging, blieb unvermittelt stehen. Herder und Hardenberg wandten sich um.
    „Nein“, rief Lewis, „nein! Niemand zwingt mich auf noch einen Berg! Ich habe erst vor viel zu kurzer Zeit gleich zwei Gipfel erklommen, und das genügt mir für den Rest meiner Lebenszeit.“
    „Gleich zwei!“, staunte Hardenberg. „Aber warum? Sie scheinen Berge ja nicht besonders zu mögen ...“
    „Herr Goethe hat mich hinaufgetrieben, und im Grunde waren die Berge noch das Erfreulichste, bedenke ich die Dinge, die zuvor und danach kamen ...“
    „Na sehen Sie!“, lachte Herder. „Mit uns ist es doch viel lustiger als mit dem Geheimrat!“ Er zwinkerte Hardenberg zu. „Greifen wir uns den Engländer und zwingen wir ihn auf einen Berg! Aller guten Dinge sind drei!“ Kurzerhand hakten Herder und Hardenberg den verdutzten Lewis unter und schritten mit ihm voran, unter schrägem und lautem Absingen einer Wanderweise, die nicht wenige Passanten zum Halten brachte und auch dazu, dem seltsamen Gespann nachzuschauen.

    „Schon wieder ein Berg“, klagte Lewis, „ach, stürbe ich doch!“ Er beugte den Leib vor und stützte die Handflächen auf den Knien ab.
    Die drei jungen Männer waren wenige Augenblicke zuvor an dem Aussichtspunkt angelangt. Über ihnen ragte der altersgraue Turm der Burg Kirchberg durch die Wipfel der Bäume. Lewis hatte sich geweigert, noch höher zu steigen.
    „Sie werden melodramatisch, Lewis, das steht Ihnen nicht gut zu Gesicht“, meinte Hardenberg mit kurzem Blick auf Lewis’ rotes Gesicht und atmete tief die Höhenluft ein.
    Auch Herder beäugte Lewis und wandte sich dann wieder der Aussicht zu. „In der Tat, Ihr Gesicht hat eine viel zu gesunde Farbe. Zum Dahinscheiden bräuchte es ein Bleu mourant . Meinetwegen auch ein bleiches Gelb. Aber so ...“
    Lewis schnaubte. „Scherzen Sie nur über mich ...“ Dann richtete er sich mühsam auf und warf einen halbherzigen Blick ins Tal. Immerhin musste er gestehen, dass die Aussicht prächtig war. Im langgestreckten grünen Tal wand sich zwischen Erlen und Weiden das silbrige Band der Saale. Umsäumt von Auen und Feldern lag Jena da, und in der Ferne waren buschumstan dene Schluchten und Täler in den Berghängen zu sehen.
    Dennoch war Lewis nicht glücklich. Von allen Wegen, die angeblich zum Rücken des Hausberges hinaufführten, hatten sie auf Bitten von Lewis den kürzesten gewählt. Wie hätte er ahnen können ,

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