Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
Vom Netzwerk:
sich einige Tage später mit diesem in einem Wagen, der am frühen Morgen die Landstraße zwischen Weimar und Jena befuhr. Die drei Meilen – deutsche Meilen, wie sich Lewis bewusst machte – führten zunächst durch eine recht leere, traurige Landschaft, und Lewis war erfreut, Herder als angenehme Reisebegleitung zu haben. Oder umgekehrt, denn Herder wollte den Besuch in Jena nutzen, um Vorbereitungen für den Antritt seines Studiums zu tätigen. Er war mit der Stadt und den Menschen schon vertraut und konnte, wie er Lewis versicherte, auch als kundiger Führer dienen. Lewis hätte einiges darum gegeben, wenn er dies alles, wie nur wenige Tage zuvor, als Gast und Besucher hätte erleben können. So aber würde er seine Aufmerksamkeit zwischen dem, was Herder sagte, und dem, was er von anderen hören mochte, aufteilen müssen.
    „Nachts wird es recht heikel und geradezu gefährlich auf den Gassen“, berichtete Herder mit breitem Grinsen.
    „Warum?“, fragte Lewis und versuchte, so natürlich wie möglich zu klingen. „Laufen die Duellwütigen unter den Studenten mit gezogenem Degen einher, um sich trotz des Verbotes zu schlagen?“ Er kam sich schrecklich tölpelhaft vor, kaum dass er diese rhetorische Falle, sofern man sie überhaupt als solche bezeichnen konnte, ausgelegt hatte. Niemand konnte ihm vorhalten, es nicht wenigstens versucht zu haben. Wenn er scheiterte, dann lag es allein daran, dass er nicht zum Spion berufen war.
    „Nein“, entgegnete Herder munter, „wenn, dann findet so etwas natürlich im Verborgenen statt, man will ja nicht auffällig werden!“
    Lewis fühlte sich insgeheim befugt, diesen Punkt von seiner imaginären Liste inquisitorischer Fragen zu streichen. Überhaupt, wie wollte Voigt nachprüfen, wie Lewis sich als Spitzel machte? Wie konnte der Regierungsrat entscheiden, ob Lewis, wenn er keine Ergebnisse brachte, nicht sorgfältig gearbeitet oder nur die falschen, nämlich unbescholtenen, Leute ausgehorcht hatte? Vielleicht war er als Engländer, der sich neugierig überall umsah und nachfragte, ja viel zu auffällig und nicht vertrauenerweckend? Wie konnte Voigt glauben, irgendwelche Verschwörer würden sich Lewis gegenüber offenbaren?
    Lewis lachte in sich hinein. Was für eine nutzlose Posse! Er würde sich nicht darum kümmern und den Ausflug und die angenehme Gesellschaft genießen.
    Herder bemerkte das stumme Lachen seines Reisegefährten und bezog es irrigerweise auf seinen letzten Satz. „Sie haben recht, das Verbot ist lächerlich. Aber ich habe Ihnen den wahrhaftigen Grund der Gefährlichkeit jener Jenenser Gassen noch nicht geschildert: Es verhält sich nämlich so, dass abends, wenn es dunkel wird, alle paar Minuten der Ruf Kopf weg! Kopf! Kopf weg! erklingt, um so auf menschenfreundliche Art Wanderer vor dem balsamischen Regen zu warnen, der über ihrem Scheitel loszubrechen droht.“
    Lewis stutzte. „Aber warum ist es dann gefährlich? Wenn man als Passant gewarnt wird, bevor Nachtgeschirre ausgeleert werden ...“
    „Weil man sich einen Jokus daraus macht, zur falschen Zeit zu warnen und der sich in Sicherheit wähnende Mensch dann erst recht getauft wird.“
    Lewis verzog das Gesicht. „Raue Sitten.“
    „Oh, im Ganzen scheinen sich die Sitten sogar sehr gebessert zu haben. Vor Jahren wurde noch nicht einmal vor Schabernack gegenüber den Professoren haltgemacht. Den Philosophen Reinhold sollen sie besonders geneckt haben, irgendetwas mit Hüten, mehr weiß ich auch nicht. Sie können ja mal Herrn Wieland fragen, vielleicht entsinnt er sich. Herr Reinhold ist nämlich sein Schwiegersohn. Ich hoffe nur, dass es Herrn Hofmedicus Hufeland besser ergeht, wenn er im kommenden Jahr seine Professur antritt. Nun, zumindest mit mir als Studiosus wird er keine Probleme haben.“
    „Nichts glaube ich mehr“, entgegnete Lewis und lächelte.
    Inzwischen hatte sich die Gegend belebt, und die Natur ringsum war ansehnlicher geworden. Die Landstraße schlängelte sich in zahllosen Windungen durch das Mühltal, und die Sonne schien langsam immer wärmer auf die Hänge, an denen Wein gedieh. Hoch ragten der Hausberg und der Jenzig auf, und dann sahen sie die Stadt an der Saalefurt mit den beiden Kirchtürmen, die aus dem Dunst ragten.
    Als sie das Tor passierten, war Lewis überrascht. Jena war – oder schien – wesentlich ansehnlicher als Weimar. Die sich länger streckenden Straßen und höher aufragenden Häuser gaben Lewis ein deutlicheres Gefühl, sich in einer

Weitere Kostenlose Bücher