Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
Stadt zu befinden, als er es jemals in Weimar verspürt hatte.
Sie verließen die Kutsche auf dem Marktplatz, und während sich Lewis neugierig umsah, lenkte Herder seine Schritte zielsicher auf eine Fassade mit einem farbigen Schild zu. „Kommen Sie, Lewis, das Städtchen erkunden wir später, jetzt wird gegessen.“
Sie gingen ins Gasthaus und fanden mit Mühe einen Tisch, der nicht gänzlich belegt war. Er stand in der hintersten Ecke und bot kaum Platz für den jungen Mann, der dort schon saß und in all dem Trubel still seine Mahlzeit verzehrte. Herder trat hinzu und fragte freundlich, ob es ihm und Lewis gestattet sei, Platz zu nehmen. Der Angesprochene sah auf, ließ die großen dunklen Augen über die beiden wandern und sagte dann leise und mit kaum wahrnehmbarer Bewegung der beinahe weiblich erscheinenden Lippen: „Bitte sehr.“
Herder entgegnete ein fröhliches Danke, und so pressten er und Lewis sich in die Stühle. Lewis musterte den jungen Mann, der vielleicht um einiges älter war als er selbst, dessen sanfte, fast durchsichtig blasse Züge dies jedoch verbargen, mit ihm selbst verwunderlichen Interesse. An dessen dunklem Rock war knapp über dem Herzen eine blaue Blume geheftet. Ein ungewöhnlicher Schmuck, dachte Lewis bei sich.
Herder bestellte derweil lautstark Wurst und Merseburger Bier. Der junge Mann, der weitergegessen hatte, seit die anderen Platz genommen hatten, blickte mit einem Mal auf, und die Augen, die Lewis zuvor als vergeistigt erschienen waren, sprühten vor ätherischer Glut. „Was?“, rief er. „Was gaffen Sie so? Kann ich nicht in Ruhe essen?“
Lewis zuckte zurück. Er hob beschwichtigend die Hände und suchte, von diesem jähen Ausfall verwirrt, nach Worten. „Ich ... wollte nicht ...“
„Mich nicht unbehelligt in meinem Mahl fortfahren lassen? Das ist Ihnen geglückt, Sie ungesitteter Mensch!“
„Aber nein ... ich ...“ Lewis sah hilfesuchend zu Herder, der den jetzt lebhaft mit dem Finger drohenden jungen Mann anstarrte. Sein Blick blieb ebenfalls an der blauen Blume hängen, und er legte den Kopf schief.
„Ehe Sie meinen Begleiter beschimpfen – wie wäre es, wenn wir einander vorstellten, damit wir wenigstens wissen, wen wir beleidigen. Wilhelm Gottfried von Herder.“
Der Kopf des jungen Mannes war herumgefahren und hatte den Mund zu einer Entgegnung geöffnet, als er bei Herders Namensnennung erstaunt innehielt.
Herder bemerkte es mit Genugtuung und fuhr rasch fort: „Dies ist Matthew Gregory Lewis aus England, ein gemeinhin sehr wohlerzogener und höflicher Mann.“
Lewis nickte heftig.
Der andere schmunzelte. „Herr Herder. Aus Weimar, nehme ich an. Ihr Vater dürfte nicht unbekannt sein, wie ich vermute.“
„Allerdings“, sagte Herder, „und ich vermute, dass Sie ...“
„Ich bin Georg Philipp Friedrich Freiherr von Hardenberg, angenehm!“ Hardenberg nickte auf eine zackige Weise, die seinem Namen alle Ehre machte, seinem zarten Gesicht jedoch nicht bekam.
Lewis sah ihn neugierig an, und noch mehr, als Herder mit der Hand auf den Tisch hieb. „Donnerwetter, ich ahnte es! Fritz Hardenberg?“
„Kein anderer!“, gab der zurück, und ein spöttisches Lächeln spielte um seine Mundwinkel.
Herder lachte Lewis an. „Herr Lewis, Sie haben unaufhörlich Glück mit Ihren Bekanntschaften. Herr Hardenberg hier ist ein tüchtiger Student, der sich, wie ich von anderen hörte, häufig und erfolgreich geschlagen hat ...“
„Aber nicht doch ...“, wehrte Hardenberg ab und machte eine Geste, die sowohl Bescheidenheit ausdrücken sollte, als auch darum bat, dies nicht zur großen Sache zu machen.
„Aber was viel wichtiger ist“, fuhr Herder fort, „Herr Hardenberg ist auch ein Dichter. Erst im letzten Jahr ist eines seiner tiefempfundenen Werke, Klagen eines Jünglings , im Teutschen Merkur veröffentlicht worden, und Herr Wieland war sehr angetan.“
Hardenberg wackelte beschämt mit dem Kopf. „Bitte! Es gab auch andere Stimmen. Schlegel etwa attestierte mir Unreife der Sprache und Versifikation, beständige unruhige Abschweifungen, zu großes Maß der Länge und ein Übermaß an halbvollendeten Bildern.“ Er machte eine Kunstpause, dann lächelte er. „Vielleicht sollte ich ihn fordern ...“
Er lachte, und Herder fiel ein, während Lewis ungläubig schaute. In diesem Augenblick wurden das Bier und die Speisen gebracht, und Lewis war froh, sich an dem Krug festhalten zu können. Sie tranken alle drei, und als sie abgesetzt
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