Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
einmal vernommen hatte und die er nie würde vergessen können. Irgendwo über ihm, zwischen den Ruinen der alten Burg, stand der Magister Gottwerth Heinrich Löber mit seinen Schwarzen Brüdern und beriet sich im Geheimen, plante neues, schändliches Tun, und er, Lewis, saß in dem eingefallenen Brunnenschacht wie der Fuchs in der Falle. Wenn sie ihn entdeckten, war es um ihn geschehen!
Lewis nahm die Hände sachte von den gemauerten Wänden und ließ sich langsam und lautlos zu Boden sinken. Sollte einer der Männer einen beiläufigen Blick in den Schacht werfen, so presste Lewis sich immerhin in die Schatten der Tiefe, um nicht sogleich erspäht zu werden. Aber wie er da so kauerte, die steilen, kalten Wände um ihn herum, ohne die Möglichkeit, sie zu verlassen, in dem schwindenden Licht des immer dunkler werdenden Himmelsrunds über ihm, da kroch erneut die alte Angst vor dem Lebendigbegrabensein in ihm hoch. Langsam und schwach erst, so dass er sie niederringen und zurückhalten konnte, doch dann wuchs und wuchs sie und war bald so stark, dass Lewis der eisige Schweiß auf die Stirn trat.
Er versuchte, sich nicht überwältigen zu lassen, starrte auf den sich verdüsternden Himmelskreis über ihm und lauschte dann den Gesprächen der Männer dort oben. Er wollte eher ihrem Ränkeschmieden lauschen, das ihm sicher das Blut in den Adern stocken lassen würde, als hier unten dem Wahnsinn zu verfallen. Wenn die Männer bald verschwänden, wenn sie gingen, ohne ihn bemerkt zu haben, dann kannte er ihre Pläne, konnte sie Voigt mitteilen und möglicherweise die schlimmen Taten vereiteln, die über Weimar hereinbrechen würden und vielleicht Menschen träfen, die er schätzte und achtete.
Dafür lohnte es sich, gegen die Angst und die Gefahr aufzubegehren!
Erneut schob und zog Lewis sich auf die Füße, reckte und streckte sich und lauschte, das Gesicht nach oben gewandt.
Gerade hatte der Mann mit der tiefen Stimme einen Satz beendet, als Löber dazwischenfuhr. Lewis hörte, dass er ausspie und dann mit einer Stimme wie Eis sprach, die Lewis in den Ohren klirrte: „Auch wenn die Arbeiten wie geplant fortgeschritten sind, Tristram, so bin ich doch der Ansicht, ein schneller Schlag kann zum Erfolg führen. Warum warten, wenn Abaris und Aeschylus schon jetzt in unsere Hände gelangen können? Je früher, desto besser!“
Der Bass erdröhnte, nachdem er kurz gehustet hatte, spöttisch: „Du Heißsporn! Wann wirst du Bedachtsamkeit lernen? All die Jahre an der Universität, und noch immer keinen Sinn für das rechte Maß und die rechte Zeit. Wir gehen vor wie geplant. Wir haben zu viel an Mühen aufgewendet, um alles durch Unbedachtheit zu zerstören.“ Er hustete wieder.
Dann erklang wieder das heisere Flüstern, und Lewis musste sich anstrengen, um überhaupt etwas zu erlauschen.
Allerdings musste er gestehen, dass er die Reden der Vorigen zwar verstanden, keineswegs aber begriffen hatte. Was waren das für seltsame Namen, mit denen die Männer sich anredeten? Abaris? Was für ein Mensch sollte das sein, aus welchem Lande sollte er stammen? Aeschylus war ein griechischer Name, Tristram ein englischer ... da hatte Lewis plötzlich den Eindruck, die Bassstimme, dieses schallende Lachen kämen ihm bekannt vor ...
Der heisere Flüsterer klang gequält: „Ich muss Cetaos zustimmen. Die Zeit ist gegen uns. Voigt hat so manchen in Verdacht, unter anderem dich, Tristram.“
„Wohl, wohl!“, murmelte der, „aber auch Decanus und viele andere in Heropolis. In Butus steht Decius unter Verdacht, und die Schuld dafür ist eindeutig bei dir zu suchen, Cetaos! Was musstest du dich auch öffentlich mit ihm zeigen!“ Er hustete abermals. „Aber sei’s drum. Ich bin erkältet, deshalb sollten wir hier nicht länger im Freien herumstehen. Gehen wir hinunter.“
Lewis zuckte zusammen. Plötzlich raschelten Schritte dicht an der Öffnung des Brunnens vorbei. Er hielt den Atem an und duckte sich.
Eine Stimme, die er zuvor noch nicht gehört hatte, meldete sich zu Wort. Sie war wohlklingend, doch von schwerem Akzent geprägt. „Ich bin auch dafür, den Herzog so bald wie möglich zu töten.“
Lewis schlug die Hand vor den Mund, um den Laut seines scharfen Einatmens zu ersticken. Darum ging es also!
Löber zischte: „Richtig! Je früher es geschieht, desto länger kann das Ereignis seine Wirkung entfalten! Das Volk erhebt sich, durch uns angestachelt, und der Adel fällt!“
Der Mann mit dem Akzent sprach weiter:
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