Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
Vom Netzwerk:
Mauern zu, die sich verwittert hinter Himbeersträuchern duckten. Er stieg über die Trümmer, die den Grund übersäten und kletterte auf eine schiefe Mauerkrone, um sich einen Überblick zu verschaffen. Im Geiste malte er sich aus, wie die Burg vor Jahrhunderten ausgesehen hatte. Ein glanzvoller Sitz, so schien es ihm. Am entfernten Ende des Ruinenfeldes erblickte er eine interessante Ansammlung von Mauerresten und Fundamenten, und so stieg er von seinem Aussichtspunkt und ging, erneut Quadern und Brocken ausweichend, über das, was wohl einst ein Hof gewesen war.
    Er strich durch ein Gestrüpp, bog die Zweige zur Seite und versuchte, sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, als er mit einem Mal den Boden unter den Füßen verlor und mit einem Aufschrei in die Tiefe stürzte.

    Als Lewis erwachte, schrak er hoch und stieß sich den Kopf an hartem Gestein. Seiner trockenen Kehle entrang sich gerade einmal ein heiseres Krächzen. Er befühlte seinen Kopf, streifte dabei schmerzhaft den Stein, der ihn umgab und blickte auf. Über ihm, in vielleicht anderthalb Mannslängen Höhe, zeigte sich ein annähernd kreisrundes, von Grasfäden gesäumtes Stück Himmel von blass - bleierner Farbe, in das einige kahle Zweige wie schwarze Blitze hineinragten. Im Licht, das zu ihm hinabfiel, konnte Lewis erkennen, dass er in einem alten Brunnen lag. Zu Lewis’ Glück war dessen Umrandung eingestürzt und der Schacht von der ursprünglichen bis auf die jetzige Tiefe mit Schutt und Trümmern gefüllt. Wer wusste, ob er einen tieferen Sturz heil überstanden hätte? Allerdings hatten die Steinbrocken das ihre getan und Lewis ’ Rücken und Seite arg geschunden.
    Vorsichtig bewegte er sich. Gebrochen hatte er sich offenbar nichts, wohl aber tüchtige Prellungen davongetragen. Glücklicherweise hatten auch Zweige und Gras, das am Brunnenboden wuchs, seinen Aufprall gedämpft.
    Er stöhnte leise. Wieder unter der Erde!
    Lewis richtete all seine Aufmerksamkeit auf das Stück Himmel, das so beruhigend nahe schien, und atmete tief. Er fixierte das helle Rund und maß mit den Augen die kurze, ach so kurze Entfernung, die ihn von der Erdoberfläche trennte.
    „Kein Grund zur Aufregung“, sprach er im Geist zu sich. „Das ist zu bewältigen.“ Er würde den Rand des Brunnenschachtes ergreifen können, wenn er nur aufstand und sich etwas streckte, und die eingebrochenen Wände boten Griffe und Tritte, gaben überall Halt, so dass die kurze Kletterei gar keine Anstrengung werden würde. Lewis hob erst den Kopf, dann den Oberkörper und setzte sich schließlich auf. Sein Körper schmerzte durch die Bewegung, aber es war kein Schmerz, der ihn alarmiert hätte. Vorsichtig zog er die Beine unter den Körper und ging auf die Knie, um sich dann an den Wänden abstützend langsam hochzuziehen.
    Da hörte er von oben ein Rascheln. „Sein Pferd“, dachte er sich. Vielleicht streifte es ganz in der Nähe umher, und wenn er rief, könnte er es dadurch vielleicht herbeilocken und die herabhängenden Zügel ergreifen ... dann aber fiel ihm ein, dass er das Tier nicht unnötiger Gefahr aussetzen sollte. Es war besser, wenn es dem Brunnenschacht fernbliebe, wenn es auch sicher nicht töricht genug wäre, blind hineinzustapfen, wie er es getan hatte.
    Da raschelte es erneut, lauter und heftiger, und mit einem Mal hörte er Stimmen, die durcheinander sprachen. Lewis wollte seinem ersten Impuls folgen und rufen, doch dann besann er sich: Wer mochte zu dieser Stunde und bei dieser Witterung die Ruinen auf dem Schlossberg aufsuchen? Gewiss niemand, der die Aussicht bestaunen wollte, denn bei diesem Nebel gab es nichts im Tal zu sehen. Auch musste es bald dunkel werden, dem Farbton des Himmels nach zu urteilen.
    Lewis schüttelte den Kopf. Er war selbst erstaunt, wie vorsichtig er durch all die Ereignisse der vergangenen Wochen geworden war und wie schnell ihm Verdächtigungen in den Sinn kamen. Das da oben mochten Bauern sein, Jäger oder Reisende, die vor dem Nebel auf die Anhöhe geflohen waren, um sich zu orientieren.
    Lewis reckte sich und wollte mit Händen und Füßen Halt suchen, um sich so weit hochzuziehen, dass er aus dem Brunnenschacht hinausblicken konnte, als er die Stimmen deutlicher vernahm. Mehrere Männer waren es, und er konnte einen tiefen Bass von einem heiseren Flüstern, einen weichen Singsang von einem scharfen Tonfall unterscheiden. Aber er erschrak zutiefst, als er eine schneidende, vor Hass triefende Stimme hörte, die er schon

Weitere Kostenlose Bücher