Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
Jagdgesellschaft der Herzoginmutter geritten, und der erste Abschnitt des Tages war der Ausflug nach Berka gewesen, dem kleinen Städtchen an der Ilm, wo sich das herzogliche Jagdzeughaus befand. In dem weiten Bau standen die Fuhrwerke, Kutschen und Schlitten, die für eine stattliche Pirsch vonnöten waren, sowie all die Gerätschaften und Waffen, mit denen man das Wild zur Strecke bringen konnte, und davon gab es reichlich in dem großen Waldgebiet auf der Harth, rings um die drei Hügel, die Berka umstanden.
Dorthin zog es Lewis nun, da ihm die Landschaft zugesagt hatte und der Weg in einem weniger gemächlichen Tempo als dem einer Jagdgesellschaft auch rasch zu bewältigen war. Auf freiem Feld angelangt, gab Lewis dem Falben die Sporen und ritt schnell dahin, immer in Sichtweite des Ilmlaufes.
Bald kam der Nebel auf und zog in immer dichteren Streifen heran, die alten Weiden am Fluss wurden grauer und grauer, und das Rascheln der dürren Blätter verstummte. Tageslicht sickerte durch den Dunst und erhellte die scheinbar zusammengeschrumpfte Landschaft genug, dass Lewis bequem seinen Weg finden konnte. Er fühlte sich herrlich, sog die feuchte Luft in seine Lunge und trieb das Pferd an, damit ihm der Wind ins Gesicht blies. Der Nebel schluckte die Hufgeräusche zum Teil, zum anderen schien er sie zu verzerren, so als folge im Abstand ein weiterer Reiter. Lewis warf einen Blick über die Schulter zurück, erkannte aber nur Nebelfetzen, die weißgrau heranwaberten.
Vor ihm tauchte die dunkle Wand des Waldes auf, und Lewis lenkte den Falben ins Gehölz. Der Pfad war gerade noch zu erkennen unter den Schleiern, die über ihn krochen und sich schreckhaft vor den Hufen des Tieres zurückzogen. Zu beiden Seiten standen die Stämme dicht an dicht, krallten sich mit den Wurzeln in die feuchte Erde und mit den Ästen in den nassen Himmel. Manche Zweige ragten über den Pfad, zu knorrigen Klauen geformt, und Lewis duckte sich lachend unter ihnen hinweg. Schäume wirbelten im Dunst, als Lewis und sein Pferd die weißen, spinnwebdünnen Vorhänge aus Nebel zerrissen, die sich zwischen den Bäumen über den Weg spannten. Die Schemen formten sich zu Gestalten, die Veitstänze vollführten, ohne auch nur den Boden zu berühren. Sie drohten und griffen nach Lewis, der behände auswich und keck zurückwinkte.
„Es ist nur ein Nebelstreif!“, lachte er, worauf er rasch nach seinem Hut greifen musste, den ihm ein neidischer Ast beinahe vom Kopf gerissen hatte.
Am Wegesrand krochen Wald- und Erdgeister aus ihren Höhlen und starrten Lewis mit glühenden Augen an. Unter Wurzeln hervor und an Baumstämmen vorbei riefen und zischten sie dem dahin Reitenden hinterher, doch zu verweilen, aber Lewis winkte nur und antwortete mit Gelächter.
Bald stieg der Pfad an, und Lewis erkannte, dass er sich am Fuße eines der Hügel um Berka befand. Der Wald lichtete sich und mit zunehmender Höhe auch der Nebel. Lewis klopfte dem Falben aufmunternd gegen den Hals und lenkte ihn die Steigung hinauf. Wie angenehm sich doch Bergaufstiege zu Pferde gestalteten!
Dann hatte Lewis die Kuppe erreicht. Ein lichtes Wäldchen stand hier, und die Aussicht ins Tal offenbarte die kochende, dampfende, wogende Tiefe, aus der sich nur die höchsten Baumspitzen und einige Hügel erhoben. Von Berka stach nur der Kirchturm hervor. Gegenüber erkannte Lewis den vom Wind zerzausten Nadelwaldschopf des Hexenberges, auf dem sich eine alte Richtstätte befand. Demzufolge musste er sich auf dem Schlossberg befinden, und als er sich umdrehte, sah er auch die Überreste der mittelalterlichen Grafenburg. Die Fundamente und Mauern ragten aus dem gelblichen Gras, zwischen den grauen Steinen wuchsen Flechten. Einschnitte und Löcher klafften in den Reihen der Quader, und von einigen Befestigungen waren allein die Fundamente geblieben. Lewis wusste, dass man den Löwenanteil der gebrochenen Steine drunten in Berka verbaut hatte, vor allem im Jagdzeughaus.
Er saß ab und ließ das Tier grasen. Jetzt wollte er ein wenig die Trümmer erkunden, um noch mehr Eindrücke in sich aufzunehmen. Was konnte ihn das alte Gemäuer schrecken, wo er schon den Naturgeistern widerstanden und ihnen kühn ins Fratzenantlitz gelacht hatte?
Auch der Rückweg bereitete ihm keine Sorgen – selbst wenn ihn seine Sinne täuschen würden in Nacht und Nebel, so würde der treue Falbe ohne Fehl den Weg zurück in seinen Weimarer Stall finden.
Lewis rückte sich den Hut zurecht und ging auf die
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