Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
„Ich denke, dass diese Erschütterung auch den Geist schwächen wird, von dem, den ich ...“
„Genug jetzt!“ Der Bass hustete erneut. „Wir beraten und entscheiden, wenn die anderen eingetroffen sind. Wir werden das Für und Wider eines früheren Schlages abwägen. Bis Mitternacht ist alles getan. Aber jetzt hinab, zu Wein und Wärme.“ Er hustete noch ein paar Male, dann raschelten seine schweren Schritte davon, gefolgt von anderen, deren Geräusche das Brummen der Stimmen übertönten. Dann war es still.
Lewis wischte sich den Schweiß von der Stirn. Eine Verschwörung, ein Aufstand, eine Revolte, und das alles mit der Ermordung des Herzogs zu Anbeginn!
Er atmete heftig. Jetzt waren alle Angst und Beklemmung verflogen. Er musste so schnell als möglich aus diesem Loch heraus und nach Weimar! Dort musste er Voigt verständigen und warnen, musste ihm nahelegen, die Verschwörer zu stellen. Er konnte es schaffen – bis Mitternacht wollten die Verschwörer sich noch in der Nähe aufhalten, und es war gerade erst dunkel geworden. Wo immer dieser Ort war, vielleicht in Berka, denn dieser Tristram hatte davon gesprochen, hinunterzugehen – man konnte die Männer fassen.
Denn Lewis hatte eine Ahnung, nein, es war Gewissheit, wer Tristram, der Mann mit der Bassstimme und dem dröhnenden Lachen, war. Johann Bode! Zwar war die Stimme durch die offenkundige Erkältung verändert, doch immer noch ähnlich genug dem, dessen Lewis sich von den Zusammentreffen her erinnerte, und dann der verräterische Deck- oder Ordensname – denn darum musste es sich handeln! Die Liebe zu Lawrence Sternes humoristischem Helden Tristram Shandy – oder Schandi, wie Bode ihn eingedeutscht hatte – hatte diesen unvorsichtig werden lassen und Lewis einen Hinweis auf seine Identität gegeben. Sowie die Erwähnung, dass er von Voigt verdächtigt werde – mehr Beweis brauchte es nicht, Bode gehörte wie Löber zu den Verschwörern, zu den Schwarzen Brüdern, und diese führten Schreckliches im Schilde.
„Nichts wie raus aus diesem Loch“, spornte Lewis sich an und suchte mit Händen und Füßen nach Lücken im Mauerwerk, um emporzuklettern. Wo nur sein Pferd sein mochte? Geflohen bei der Ankunft der Schwarzen Brüder? Entdeckt konnten sie es nicht haben, denn dann wären sie sicher alarmiert und auf der Hut gewesen und hätten nicht über ihre Pläne gesprochen, sondern den Reiter gesucht. Lewis nickte. Sicher graste sein Falbe an der abgewandten Seite der Ruine und wartete brav und treu auf ihn.
Nun aber hinaus! Lewis griff zu, in Spalten, Erdreich und lockeren Mörtel, rammte die Stiefelspitzen in Fugen und Löcher und zog sich empor. Erdklumpen und Steinchen rieselten.
Fast hatte er den Rand des Brunnenschachts erreicht, als sich ein Schatten über ihn schob. Arme griffen nach ihm und rissen ihn hinauf, auf den grasbewachsenen Boden. Noch ehe er einen Laut der Überraschung oder des Schreckens von sich geben konnte, presste sich eine kräftige Hand über seinen Mund, und eine Stimme flüsterte: „Still! Es kann jeden Augenblick jemand auftauchen. Ihnen geschieht nichts.“
Dann packte jemand ihn an den Schultern und stellte ihn auf die Füße. Im Dämmerlicht sah er sich einem dunkel gekleideten Mann gegenüber, der den Hut tief ins Gesicht gezogen hatte. „Rasch!“, sagte dieser. „Wir müssen fort! Da entlang!“
Lewis wurde mit sanfter Gewalt in eine Richtung geschoben, die von dem Brunnenschacht und auch von den Ruinen wegführte. Hinter einer Mauer sah er das Licht einer Fackel aufleuchten. Auch davon entfernten sie sich rasch und so geräuschlos, wie es möglich war. Der Fremde leitete ihn umsichtig durch das mit Trümmern übersäte Gelände.
Lewis sah, dass sich der Nebel verzogen hatte, der Himmel war nahezu klar, nur einige Wolkenfetzen zogen vor dem Mond dahin. Aus dem Hintergrund erklangen Stimmen, die wohl zu den von Bode erwähnten Neuankömmlingen gehörten. Sie wurden wieder leiser, als sowohl diese Männer in den Ruinen verschwanden als auch Lewis und sein Retter sich entfernten. Es ging ein Stück den baumbestandenen Hang hinab, und dort standen zwei Pferde im Gebüsch, von denen eines Lewis’ Falbe war.
Der Fremde schob Lewis zu seinem Tier und bedeutete ihm aufzusitzen. Dann stieg er selbst auf und lenkte sein dunkles Pferd hangabwärts. In Lewis wuchs der Drang, seinem Pferd die Sporen zu geben und zu fliehen, denn er wusste nicht, wer sich hinter seinem Retter verbarg – vielleicht war es nur
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