Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
stand, hatte Lewis auf die Idee gebracht, einen Mönch zur Hauptperson der Geschichte zu machen. Der Gottesmann seines im Tagtraum geschriebenen Manuskriptes war nur vage umrissen gewesen, und die Entscheidung, einen Mönch all die Lästerungen begehen und Versuchungen erleiden zu lassen, schien Lewis am schrecklichsten. Er konnte sich all seine Furcht und seine Träume und schrecklichen Erlebnisse von der Seele schreiben, und dies ließ ihn seine Gefangenschaft beinahe vergessen.
Dazu kam noch, dass seine Gefängniswärterin Eleonore ihm freundlicher und herzlicher denn je begegnete – sei es aus der Tatsache heraus, dass sie um die Gefahr wusste, in der Lewis schwebte, sei es, weil er sie an seinen schriftstellerischen Erzeugnissen teilhaben ließ. Böttiger, der sozusagen Direktor des Kerkers war, umsorgte ihn auf eine Weise, die nüchterner, aber doch nicht minder nett war. Allerdings schien er von seinem Gast nicht mehr begeistert, denn er konnte von Lewis nichts mehr an Begegnungen und Erlebnissen in und um Weimar erfahren, und obgleich dieser fleißig zu schreiben schien, kam nichts dabei heraus, was er mit Gewinn hätte begutachten können – ein paar Gedichte, einige halbherzige Komödienszenen, mehr nicht. Böttiger suchte sich also seinen eigenen Klatsch.
Auch Lewis litt darunter, nicht mehr allzu viel Abwechslung zu haben. Theaterbesuche waren ihm der unübersichtlichen Menschenansammlung wegen untersagt, und anderen gesellschaftlichen Ereignissen hatte er ebenfalls fernzubleiben: Was, wenn Löber dort hineinstürmte und in seiner Raserei außer Lewis noch andere in den Tod riss! Zudem wollte Voigt vermeiden, dass Lewis versehentlich etwas ausplauderte: Die Weimarer Gesellschaft und der Adel sollten nicht unnötig durch Verschwörungsgeschichten beunruhigt werden.
So blieb Lewis die Korrespondenz mit dem jungen Herder, der strebsam und vergnüglich in Jena Medizin studierte. Diesem konnte er sich immerhin anvertrauen. Er hatte Herder alles berichtet und diesen auch um Vorsicht gebeten, was Löber anging. Herder jedoch konnte Lewis beruhigen: Was er bislang in Jena gehört hatte, wies darauf hin, dass Löber verschwunden war und sich nicht wieder hatte blicken lassen. Auch Hardenberg, der durchaus einen Grund hatte, gut unterrichtet sein zu wollen, und dies gemeinhin auch war, konnte nichts Aufrüttelndes mitteilen.
Alles schien in erfreulicher Ordnung, und so nahm Lewis sein Exil von den Zerstreuungen des Lebens in Kauf.
Als sich draußen die wirbelnden Schneeflocken vor dem schwärzer werdenden Himmel abzeichneten, schnitt er gerade mit dem Messer eine neue Schreibfeder zu. Da klopfte es unerwartet. Lewis erschrak, glitt mit dem Messer ab, und die Feder war hin. Nach einer resignierten Aufforderung trat Böttiger ein und ging mit einem Brief in der Hand auf Lewis zu.
„Ein Bote aus Jena hat dies soeben abgegeben. Es scheint eilig zu sein.“
Böttiger gab Lewis das Schreiben und blieb dann kurz mit ausgestreckter Hand stehen. „Vielleicht hätten Sie Zeit und Lust, nach dem Abendessen mit mir ein Glas in meinem Arbeitszimmer zu nehmen?“ Er nahm die Hand zurück und zupfte sich am Ohrläppchen. „Ich glaube, Sie kennen meine Abhandlung über Kyklopen und Arimaspen noch nicht. Über die Gewohnheit der Alten, sich den Körper zu bemalen und zu punktieren. Wir könnten ein wenig darüber ... plaudern.“
Lewis lächelte. Das klang ganz, als habe Eleonore Böttiger ihren Mann zurechtgewiesen, sich doch wieder um ihrer beider Gast zu kümmern.
„Gern. Ich könnte meinen Teil dazu beitragen. Im äußersten Norden der britischen Inseln lebte ein Stamm, den man Pikten nannte und der diese Kunst pflegte.“
Böttiger hob Finger und Stimme und sog ausreichend Luft ein, um damit einen längeren Vortrag zu halten. „Eine barbarische Sitte. Im Allgemeinen bei rohen Menschen zu finden, besonders ...“
Lewis räusperte sich. „Sagten Sie, nach dem Abendessen?“
Böttiger ließ Finger und Mundwinkel sinken. „Oh. Ja! Wir sehen uns bei Tisch.“
„Bis dahin. Ich will den Brief lesen und gleich beantworten, da er eilig schien, wie Sie sagten.“
Böttiger nickte. „Der Bote war atemlos und sah angespannt aus.“
„Nun denn“, schloss Lewis. „Ich freue mich auf unsere Unterhaltung.“
„Ich ebenso, Herr Lewis“, strahlte Böttiger, der aussah, als fiele ihm ein Stein vom Herzen. Er nickte noch einmal und ging dann schnell aus dem Zimmer.
Lewis drehte den Brief in den Händen und
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