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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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sich nicht mehr auf dem Zimmer befand, sondern auf der nächtlichen Straße stand, die bloßen Füße bis zu den Knöcheln im Schnee.
    Ungläubig sah er sich um, ließ die Arme hängen und schüttelte den Kopf. Er war offensichtlich schlafgewandelt, getrieben von den Bildern, die er im Traum gesehen hatte. Er sah an der Vorderseite des Hauses hoch, wo noch einige wenige Fenster schwach erleuchtet waren. Dort, wo sich das Zimmer befand, das Herder bewohnte, herrschte Dunkelheit. Dieser war scheinbar noch nicht wieder von seinen amourösen Eskapaden heimgekehrt, sonst hätte er Lewis’ somnambule Wanderung sicher bemerkt und ihn geweckt, oder er wäre ihm zumindest gefolgt.
    Lewis schlang die Arme um den Körper. Er fror schrecklich, der Atem stand ihm in dichten Wolken vor dem Mund. Endlich fiel die Verwirrung über seinen Zustand von ihm ab, und er wandte sich dem Eingang des Hauses zu, der einige Schritte entfernt war. Da bemerkte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung, und er drehte sich um.
    Ein Mann kam auf ihn zu, die Arme wie zum Gruß ausgebreitet. Im schwachen Licht der Gasse konnte Lewis nicht recht erkennen, wer der Mann war, doch etwas an diesem schien ihm vertraut.
    Er lächelte kläglich, mit vor Kälte zitternden Lippen. „Wilhelm! Endlich kehrst du heim! Du wirst kaum glauben, was mir widerfahren ist, schau nur ...“
    Lewis stutzte. Der Mann kam näher, ohne auch nur ein Anzeichen, seine Worte gehört zu haben. Jetzt erkannte Lewis, dass jener in ein weites, weißes Gewand gehüllt war, das einem Leichenhemd glich. Wo der Stoff die Brust des Mannes bedeckte, war ein fremdartiges Symbol gemalt, mit einer Farbe, die den Ton getrockneten Blutes hatte. Die ausgebreiteten Arme des sich träumerisch nähernden Fremden schienen nun nicht mehr zu grüßen, sondern wirkten wie eine Drohgebärde. Jetzt richteten sie sich gar auf Lewis, die Hände griffen nach ihm.
    Dann erkannte Lewis den Mann. Es war Gottwerth Heinrich Löber, den er für tot gehalten hatte! Doch hier, in dieser dunklen, nächtlichen Gasse, kam er geradewegs auf ihn zu.
    Als das matte Licht sein Antlitz erhellte, erstarrte Lewis vor Schrecken. Denn was ihn hier mit getrübten, weißlichen Augen anblickte, war das Antlitz eines Toten, und doch streckte dieser seine zu Krallen gebogenen Finger nach Lewis’ Hals aus und schloss sie mit eiserner Gewalt.
    Lewis spürte die grabeskalten Finger an seiner Kehle und ächzte. Schwach hob er die Hände, legte sie um die Gelenke Löbers, aber er vermochte nicht, den tödlichen Griff zu brechen. Dicht vor sich sah er das leichenweiße Antlitz Löbers, auf dessen Wange die rote Narbe glühte, wie im Alptraum zuvor, der nun grauenvolle Wirklichkeit zu werden schien.
    Die Finger verstärkten ihren Druck, und vor Lewis’ Augen begannen sich feurige Räder zu drehen, Sterne explodierten in glühenden Funkenkaskaden. Aus diesem Lichtersturm formte sich der einzige Gedanke, zu dem Lewis noch fähig war: Wie war dies möglich? Doch die Antwort, sollte Lewis sie überhaupt noch ersinnen können, ging in der Not unter, in der sein Geist und sein Körper nach Luft schrien.
    Die harten Klauen Löbers krallten sich in Lewis’ Kehle, schnürten sie unbarmherzig zu. Die toten Augen regten sich nicht, starrten nur auf ihr Opfer, wie auch der blasse Mund ohne jegliche Regung blieb. Lewis sah, wie sein Gesichtsfeld sich einengte, wie völlige Finsternis von den Rändern herankroch, sich wie ein schwarzsamtener Vorhang von allen Seiten schloss, bis das wenige, was er trübe wahrnehmen konnte, das monströse Gesicht von Löbers Leichnam war.
    Das war das Ende, erkannte er, und er fügte sich. Ehe sich die völlige Nacht über ihn senkte, glaubte er, aus weiter Ferne eine bekannte Stimme zu vernehmen, die aufschrie. Dann spürte er, wie der qualvolle Druck auf seinen Hals nachließ, und er wusste, dass ihn der mordende Löber aus seinem Griff entlassen hatte, da nun alles Leben aus ihm gewichen war.
    Lewis sank langsam in sich zusammen, fühlte, wie sein Körper zerdrückt wurde, um die Seele aus ihm zu entlassen – und dann war da nichts mehr.

    Lewis glaubte, ein Licht zu sehen. Ein mattes Licht füllte seinen Gesichtskreis aus, und in seinem Glanz bewegten sich undeutliche Gestalten um ihn her. Flüsternde Stimmen waren zu h ö ren, und ihr Klang war milde und weich. Lewis spürte keinen Schmerz, der schreckliche Druck auf seine Kehle war gewichen, sein Körper schien ihm weich gebettet und schwerelos. Ein gütiges,

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