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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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von strudelnden Wassern. Er sah sich von Flammenmeeren umgeben.
    Lewis warf sich hin und her. Der Himmel war vergangen, nun war er in die Hölle niedergestürzt, wo er wegen seiner blasphemischen Schriften auf Ewigkeit Qualen leiden musste, und sein Wächter war nicht der gehörnte, bocksbeinige Teufel, sondern – viel grausamer, wie es schien – dessen uralte Großmutter, die greinend dasaß, von geisterhaft grünem Licht umspielt. Gebeugt war sie über allerlei Blätter, die sich auf einem Tisch häuften, und sie hatte den Kopf in die Hand gestützt und seufzte.
    Lewis ächzte entsetzt auf, und die Alte wandte ihm ihr gefurchtes, graues Gesicht zu, die Augen leuchteten auf wie die einer Katze. Da wusste Lewis, dass er die Ewigkeit unter diesen schrecklichen Augen verbringen musste, unter den Augen der jammernden Greisin, des Gespenstes, das das Haus der Witwe Recknagel heimsuchte.
    Lewis schrie auf, und mit einem Mal brach die Wirklichkeit über ihn herein wie ein Felssturz aus Farben und Tönen und Gerüchen, alles gemeinsam in einer Kakophonie der Sinne, die in ihn hineinfegte und alle Mattigkeit von ihm nahm. Er saß aufrecht im Bett, in seiner Stube, im Haus der Böttigers. Eleonore sprang vom Sekretär auf, an dem sie lesend gesessen hatte, und schlug die Hände vor den Mund, die Augen leuchteten erst in Schrecken, dann vor Freude auf.
    „Karl!“, rief sie laut. „Karl, komm schnell! Herr Lewis ist wach!“
    Dann stürzte sie auf Lewis zu und umarmte ihn herzlich.
    Es war, wie Lewis erfuhr, der zweite Weihnachtstag, an dem er aus seiner langen Bewusstlosigkeit erwacht war. Was er in den wenigen Momenten, in denen er aus diesem Schlaf aufgetaucht war, wahrgenommen hatte, waren Fetzen der Geschehnisse in den vergangenen Wochen gewesen. Eleonore und Karl Böttiger hatten den ohnmächtigen Lewis gepflegt, nachdem er schon einige Zeit in einem Spital in Jena verbracht hatte. Dort waren Herder und Hardenberg nicht von seiner Seite gewichen, hatten sich beim Wachen an des Freundes Bett abgewechselt. Mitte Dezember war Goethe von der Kampagne in Frankreich nach Weimar zurückgekehrt, hatte durch Krafft – welchen Herder informiert hatte – erfahren, wie es um Lewis stand und war sogleich nach Jena gefahren. Dort hatte er verfügt, dass Lewis nach Weimar gebracht werden sollte, in die Obhut der Böttigers.
    Diese wussten nichts Näheres von den Umständen, die Lewis in diesen Zustand versetzt hatten, es hieß, er sei übel gestürzt und mit dem Kopf aufgeschlagen. Er selbst, der langsam wieder zu Kräften kam, zweifelte an seiner eigenen Erinnerung, die er an jene Nacht hatte. Er musste einen doppelten Alptraum gehabt haben, insofern, dass er von einem in den nächsten hinübergeglitten war, obgleich ihm schien, er sei erwacht. Hierbei musste er wohl die Stube, das Haus in Jena verlassen haben, war dann auf der schneeglatten Straße ausgeglitten und hatte sich den Kopf verletzt. Alles, woran er sich mit dem vagen Gefühl des tatsächlich Erlebten erinnerte – der geisterhafte, zu schauerlichem Leben jenseits des Grabes wiedererweckte Löber und dessen Angriff auf Lewis –, musste ein Traum gewesen sein. Nein, schalt sich Lewis: Es konnte nur ein Traum gewesen sein, denn jenseits des Grabes gab es nichts, und selbst der teuflische Löber konnte dem Tod nicht entfliehen. Doch was, wenn Löber wirklich nicht tot war? Lewis sank in diesen Stunden mehrmals mit jenen Gedanken in die Kissen zurück und schlief unruhig, aber mit heilsamer Wirkung.

    Kurz nach Weihnachten besuchte ihn Herder. Lewis konnte bereits wieder das Bett verlassen und herumgehen, fühlte sich aber noch schwach.
    „Matthew!“, rief Herder und kam mit ausgebreiteten Armen die Treppe hinauf. Unten vor der Tür stand Eleonore Böttiger, die ihn eingelassen hatte und zufrieden lächelte. Lewis’ Herz schlug fröhlich beim Anblick des Freundes, und doch versetzte ihm etwas einen bangen Stich: Mit dieser Geste war ihm im Traum der mörderische Löber entgegengetreten und hatte dann ...
    „Wie gut, dich wieder wohlauf zu sehen!“, sagte Herder und umarmte Lewis.
    Der zuckte zusammen.
    Herder schaute besorgt. „Oh, verzeih! Ich muss vorsichtiger mit dir umspringen, du bist noch sehr entkräftet!“ Er schob Lewis in Richtung Bett und drückte ihn darauf. Dann griff er sich selbst einen Stuhl.
    „Liebe Grüße von Friedrich soll ich dir bestellen und von Herrn Krafft die besten Wünsche und ... ach, ich bin so froh, dich wiederzusehen.“ Er

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