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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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musste, welcher ihm geholfen hatte, das Theater für seine scheußliche Zeremonie herzurichten und der anschließend die Leichen Herders und seiner selbst ...
    Lewis warf den Kopf hin und her, als er in unruhigen Schlaf glitt, in welchem ihn Traumgespinste schrecklichster Art verfolgten.
    Einsam stand er in grellweißer Leere, und von allen Seiten umtanzten ihn die Schemen jener, die er in den vergangenen Monaten in Weimar kennengelernt hatte. Goethe und Böttiger, Wieland und der alte Herder, Bode und Bertuch, Voigt und all die anderen. Als bein- und fu ß lose Gestalten schwebten sie dahin, die Leiber endeten in schwarzen, rauchartigen Schlieren, die Fährten von Ruß und Asche auf ihrem ätherischen Weg zurückließen. Einzeln kamen sie ihm näher, hielten ihre Gesichter dicht an das schwei ß bedeckte, bange Antlitz des jungen Engländers, und kaum , dass sie dies getan hatten, kaum, dass ihr Atem die wächserne Haut des Bebenden streifte, da rissen sie sich die Haut von den Schädeln, wie Larven, derer man sich am Ende des Maskenballes entledigte. Darunter waren die Gesichter bis oberhalb der grausamen Münder von höllischer Dunkelheit, nachtfarben wie die Masken der Schwarzen Brüder, und aus den Höhlen leuchteten feurig die Augen hervor, sengten mit infernalischen Flammen über die von Furcht erstarrten Züge des bangen Lewis. Immer stärker wurde die Hitze, bis schließlich die fratzenhaften Gesichter von ihr verzehrt wurden und nur noch verkohltes Fleisch und aschenweiße Augäpfel übrigblieben.
    Im Traum atmete Lewis auf, der Spuk schien vorüber. Doch da bewegten sich die dunklen Gesichter, drehten sich um und um, und aus ihnen entsprossen Leiber und Gliedmaßen, bis Lewis sich von einer Schar dunkler Menschen umringt sah, die nur mit verblichenen Fetzen bekleidet waren. Lewis entsann sich der Berichte seines Vaters von dessen Plantagen auf Jamaika, auf denen afrikanische Sklaven ihr karges, fronreiches Dasein fristeten. Doch diese hier, die Lewis mit geisterhaften Bewegungen umtanzten, schienen jeglicher menschlicher Lebendigkeit entledigt, waren tot, und doch waren sie es nicht. Manche der Sklaven, so hatte Lewis gehört, huldigten einer heidnischen Gottheit primitiver Gestalt. Den Glauben an diese hatten sie von ihren fernen afrikanischen Gestaden mitgebracht. Sie zelebrierten Rituale eines fremden Kultes, Wodu genannt, dessen Zwecke darin bestanden, die Toten wiederzuerwecken, wie in einer blasphemischen Vorwegnahme des Jüngsten Gerichts. Diese lebendigen Toten, auch Jumbees geheißen, wandelten danach auf Erden und gehorchten den Befehlen ihrer Erwecker, führten seelen- und gewissenlos jegliche Taten aus, so gotteslästerlich sie auch sein mochten.
    Lewis sah, wie sich im Zentrum des Kreises der tanzenden schwarzen Sklaven eine bleiche Gestalt aus dem Erdboden erhob, in ein Leichentuch gehüllt, das ihre Züge bedeckte. Der Kreis der schwarzen Männer öffnete sich, diese traten in den Hintergrund, die blinden, weißen Augen auf Lewis gerichtet, der jedoch nur Blicke für die verhüllte Gestalt hatte. Das Gespenst glitt auf Lewis zu, die Arme langsam erhebend, das Leichentuch wie eine Schleppe hinter sich herziehend. Lewis sah, wie unter dem Schleier ein Strich roter Glut aufleuchtete, der sich quer über das unkenntliche Antlitz der Gestalt zog. Dieses feurige Mal erinnerte Lewis an jemanden, doch noch bevor dieser vage Gedanke an Deutlichkeit gewann, traf ihn wie ein eiskalter Guss die schreckliche Wahrheit. Die furchtbare Erscheinung, durch unheilige Riten aus dem Grabe getrieben, war niemand anderes als der Magister Gottwerth Heinrich Löber!
    Lewis floh. Seine traumschweren Beine wollten ihm den Dienst versagen, doch kämpfte er sich Elle um Elle voran, versuchte, dem untoten Magister zu entkommen, der die klauenhaften Leichenfinger nach ihm ausstreckte und mit bösartig verzerrten blauen Lippen dem jungen Menschlein hohnlachte. Lewis spürte die Grabeskälte, die die lebende Leiche ausstrahlte und die ihm wie Frost durch die Glieder fuhr. Er stand im Dunkeln, und mit einem Mal leuchtete die Geistergestalt Löbers vor ihm auf. Wieder wollte er fliehen, doch dieses Mal waren seine Sohlen wie am Grund festgefroren.
    Reglos musste er mit ansehen, wie Löber die Arme vorreckte, die Finger wie kalte Zangen um seinen Hals legte – und zudrückte.
    Lewis erwachte mit einem Aufschrei. Kälte und Finsternis drangen auf ihn ein, und als die anfängliche Benommenheit von ihm wich, erkannte er, dass er

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