Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
Laternen und Kerzenleuchter. Sie verharrten einen Augenblick.
„Was gibt es noch zu sagen?“, fragte Herder mit einem Achselzucken und sprang in die Tiefe.
Lewis hielt die Luft an, dann entsann er sich, dass Herder den Schacht zuvor genau inspiziert hatte, demzufolge wusste, was ihn erwartete. Auch Hardenberg trat schließlich einen beherzten Schritt nach vorn und verschwand im Erdboden.
Jetzt, da zwei Lichtquellen das Loch im Parkett erhellten, erschien es Lewis, wenn schon nicht sonderlich einladend, so doch wesentlich weniger unheimlich. Er ließ sich auf dem Rand nieder und rutschte mit einem halbherzigen „Obacht!“ in den Schacht.
Unten kam er hart mit den Sohlen auf, schwankte kurz und blickte dann in die Gesichter Herders und Hardenbergs, die sich interessiert umsahen.
„Das ist bei Gott kein Maulwurfsbau“, staunte Hardenberg.
Lewis hob seinerseits die Hand mit der Laterne. Der Gang war kunstgerecht gegraben und ausgearbeitet. Ein normaler Mann konnte hier aufrecht stehen, und streckte er die Arme zu beiden Seiten des Körpers aus, so würde er die Wände aus rauem Erdreich gerade mit den Spitzen seiner Finger berühren können. In regelmäßigen Abständen befanden sich hölzerne Stützbalken und Verschalungen, die den Stollen sicherten und stabilisierten, und jenseits des Lichtscheins, der die drei Männer umgab, führte der Stollen schnurgerade in ein ungewisses Dunkel hinein.
Lewis wiegte den Kopf. „Das sieht aus wie im Bergwerk zu Ilmenau. Das können nur Fachleute verfertigt haben – und nicht nur irgendwelche Entführer.“
Herder nickte. „Auch wenn wir nicht genau wissen, wer dies getan hat und warum, so habe ich doch eine Ahnung ...“
„Schwarze Brüder?“, riet Hardenberg.
„In der Tat“, antwortete Herder.
„Zweifellos“, entgegnete Lewis. „Suter sprach von Ungeheuern, die aus der Erde kamen, was könnte er gemeint haben als die schwarzgekleideten und maskierten Verschwörer?“
„Ich kann mir vorstellen“, sprach Herder weiter, „dass deren Verbindungen weit genug reichen, um ein paar Bergleute anzuheuern, die ...“
„Natürlich!“, rief Lewis aus und legte die Hand an die Stirn. „In Ilmenau! Die beiden Männer! Sie wussten von dieser Sache, haben sie gar selbst ausgeführt!“
Herder nickte eifrig. „Da sie, wie du sagtest, von Freiheit und dergleichen gestammelt haben, fügt sich alles zusammen: die Verschwörer – Schwarze Brüder oder Illuminaten oder wer auch immer – haben Goethe entführt, von dem sie glauben, er könne ihnen wegen seiner Nähe zum Herzog auf irgendeine Weise dienlich sein!“
„Noch mehr fügt sich!“, sagte Lewis schnell. „Das Gespräch, das ich in der Ruine über Berka belauschte. All das Gerede über Männer, die sie in ihre Gewalt bringen wollten. Damit war der Geheimrat gemeint. Sie gebrauchten diese seltsamen Namen, um etwaige Lauscher zu verwirren und nichts preiszugeben!“
„Was wollt ihr mehr?“, rief Hardenberg. „Goethe ist in Gefahr, gar der Herzog, möglicherweise der ganze Staat! Wir müssen handeln.“
Herder hob seine Pistole, und auch Lewis fasste das Gewehr fester, dann drangen sie in den düsteren Stollen vor. Es roch nach feuchter Erde und Holz. Lewis fühlte sich beklommen und vermied es, auf die nahen, drückenden Wände und die dräuende Decke zu schauen. Auch erklangen ab und an leise Geräusche, hurtige Schritte winziger Pfoten, die vor ihnen in die Tiefen des Ganges flohen. Doch Ratten waren wohl das geringste Problem, das er hier unten zu befürchten hatte. Die Anwesenheit seiner Freunde flößte ihm immerhin Mut ein. Gleichwohl spürte er, wie seine Handflächen feucht wurden und der Schweiß in kleinen Perlen über seine Handgelenke lief. Er packte die erhobene Laterne und das Gewehr fester, damit sie ihm nicht entglitten.
Nach einer Weile gabelte sich der Weg. Sie traten aus dem Stollen in einen weiteren, der noch etwas breiter zu sein schien und der sich zur Rechten und zur Linken gleichermaßen erstreckte.
„Wohin nun?“, fragte Lewis.
Hardenberg betrachtete den Boden. „Zu dumm, dass Fußspuren in beide Richtungen führen.“
Herder überlegte. „Es scheint mir schlecht, uns aufzuteilen. Wir sollten vereint weitergehen; bestimmt haben wir eine Übermacht gegen uns.“
Lewis schluckte. „Zögern wir nicht. Ich sage, wir gehen nach rechts.“
Schweigend und langsam schritten sie weiter. Gelegentlich ragten fädige Wurzeln aus der Stollendecke, die anzeigten, dass ihr Weg sie
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