Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
unter Bäumen hindurchführte. Auch floss ab und zu Wasser in dünnen Rinnsalen aus Wänden oder Decke. Dort war der Boden mit Planken ausgelegt, damit man den Fuß auf sicheren Grund setzen konnte. Im trüben Wasser huschten bleiche Salamander davon, als die drei jungen Männer darüber schritten. An einigen Stellen verengte sich der Stollen auch zu schmalen Durchgängen, die ins harte Gestein getrieben waren und nur den allernötigsten Raum boten, damit sich ein Mann hindurchzwängen konnte. Hardenberg verschwand als erster in der ungewissen Dunkelheit, da er keine Lampe mit sich führte. Lewis reichte ihm rasch eine nach, und nach einiger Anstrengung konnte sie zu dritt ihren Weg fortführen. Plötzlich zweigten zwei weitere Gänge vom Hauptstollen ab.
Sie blieben stehen, und Hardenberg, der vorangegangen war, leuchtete mit seiner Laterne voran. „Dort sind noch zwei Abzweige.“
Herder schnaubte. „Es scheint, als hätten diese Menschen ganz Weimar unterhöhlt.“
Lewis sah die Gänge entlang. „Ja. Das haben sie tatsächlich!“
Hardenberg und Herder blickten ihn an. „Was führt dich zu der Ansicht?“, fragte Hardenberg. „Es sind doch nur diese vier Stollen, und ...“
„... diese verzweigen und verzweigen sich weiter.“ Herder begriff.
Lewis lehnte sich haltsuchend an die feuchte Stollenwand. „Ich habe, seit ich in Weimar bin, immer wieder die Erschütterungen im Erdboden gespürt.“ Er schüttelte schwach den Kopf. „Aber ich dachte natürlich, ich ...“
Dann stieß er sich wieder von der Wand ab. Seine Augen blitzten. „Deswegen ging es im Bergwerk zu Ilmenau nicht voran! Alle Bergleute haben hier unter Weimar gearbeitet, den Erdboden ausgehöhlt, die Stollen vorangetrieben! Zu Goethes Haus und wer weiß, wohin noch! Deswegen erschoss Muntzer seinen Freund Weihrach. Er hatte schon zuviel gesagt, und Goethe sollte im Bergwerk sterben, denn er hätte sich ja vielleicht einiges zusammenreimen können. Als er dann zum Feldzug nach Frankreich aufbrach, hatte er verständlicherweise anderes im Kopf.“
Hardenberg schwang den Säbel. „Wir sollten auch anderes im Kopfe haben, als Verschwörungsabläufe zu enträtseln.“ Er lief weiter in die zuvor eingeschlagene Richtung, ohne sich um die Abzweigungen zu kümmern.
Herder folgte, und auch Lewis lief gezwungenermaßen hinterdrein, obwohl es in seinem Schädel vor lauter Offenbarungen drunter und drüber ging.
Der Gang streckte sich schier endlos dahin, und die drei jungen Männer, die ihn entlanghetzten, fragten sich, ob sie nicht in die Irre liefen, ob Goethe nicht schon rettungslos verloren war und sie selbst gar ihrem Verderben entgegenrannten.
Schließlich, nach einigen weiteren Abzweigungen, die sie verwirrten und verunsicherten, sie aber nicht von ihrem vorgefassten Plan abbrachten, dem Größten der Stollen zu folgen, stieg dessen Grund allmählich an. Er endete in einer Rampe, die in einen großen, in völligem Dunkel liegenden Raum führte.
Vorsichtig näherten sie sich, nachdem sie aufmerksam gelauscht hatten und auch daran dachten, das verräterische Licht abzuschirmen.
Der Raum war hoch, weitläufig und leer und schien vielmehr die Ausmaße eines Saales zu haben. Türöffnungen ohne Füllungen und Flügel gingen nach vielen Seiten ab, und dahinter waren schwach langgestreckte, kahle Gänge und Flure zu erahnen. Als Herder an der entfernten Stirnseite einige Wandgerüste und Aufschüttungen von Erde und Steinen ausmachte, stürzte Lewis zu einer der nahen Fensterhöhlen. Sein Blick ging auf einen weitläufigen Hof, der ihm sehr bekannt vorkam. Jenseits des Pflasters ragte ein Turm auf, ein kolossaler Schatten gegen den nächtlichen Himmel.
„Wir sind im Schloss!“, flüsterte er, da sie bemerkt hatten, wie sehr jeder Laut in den öden Räumen und Gängen nachhallte. „Das da hinten sind Baumaterialien. Ich habe das alles schon gesehen, als Voigt mich hierherbringen ließ!“
„Der Wiederaufbau des Schlosses“, brummte Herder. „Eine ausgezeichnete Tarnung, all den Aushub der Gänge und Stollen unauffällig zu entsorgen.“
„Ob Goethe hier irgendwo festgehalten wird?“, fragte Lewis leise. „Weiträumig genug ist dieses Gebäude, und an all die Keller und Gewölbe will ich gar nicht erst denken ...“
„Dazu ist auch keine Zeit!“, zischte Hardenberg mit einem Mal. „Da kommt jemand!“
Tatsächlich drangen Stimmen und Schritte aus einem entfernten Raum herüber, Lichtschein war zu erkennen, und schon
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