Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
„Es gehört der Gräfin Bernstorff, und auch Bode wohnt hier.“
„Ob auch er ein Gefangener ...“, begann Hardenberg und schüttelte dann den Kopf, als er Lewis’ Augen sah, die sich im Begreifen weiteten.
Dann blickte Lewis zornig. „Nein, warum auch, wo doch unter seinem Haus der Treffpunkt der Verschwörer liegt?“ Lewis bleckte die Zähne. „Dann habe ich mich also nicht geirrt, als ich glaubte, Bodes Stimme in der Ruine zu erkennen! Was danach folgte, war eine Posse seinerseits, um den Verdacht von ihm abzulenken! Es ist alles, wie Voigt es befürchtet hat! Bode ist der Kopf der Schwarzen Brüder und der Revolutionäre und hat Goethe in seiner Gewalt!“
„Dann wird dieser wohl irgendwo hier im Haus festgehalten“, entgegnete Hardenberg. „Erinnerst du dich an die Anordnung der Räume?“
„Nein“, antwortete Lewis ärgerlich. „Der Besuch war zu kurz, und der Dienstbote scheuchte uns sehr.“
„Dann versuchen wir unser Glück.“ Hardenberg sah sich um. „Ob es noch einen Keller gibt?“
Da scholl ein tiefes Lachen durch das Haus. Es floss wie ein dunkler Strom aus Tönen die große Treppe herab.
„Bode!“, flüsterte Lewis. „Suchen wir ihn, vermutlich ist auch Goethe nicht weit – und hoffentlich tut er ihm nichts zuleide.“
Sie liefen die Treppe hinauf, so schnell das möglich war, ohne allzu sehr über die Stufen zu poltern. Bodes Lachen führte sie einen weiteren Gang entlang, an dessen Ende eine halboffene Tür warmes Licht über das Parkett strömen ließ.
Jetzt war Bodes Stimme unverwechselbar. Er unterhielt sich munter mit einem weiteren Mann, der bisher ebenfalls ab und an gelacht hatte.
Jetzt waren Lewis und Hardenberg näher heran. Sie sahen durch den Spalt in der Tür in ein Zimmer, das von Bücherschränken umrandet war und in dessen Mitte auf einem Teppich ein bequem erscheinender Sessel stand, nahe an einem Tischchen, das Gläser und eine Karaffe beherbergte.
Diesen Sessel füllte die massige Gestalt Bodes aus, mit rotem Gesicht und hängenden Wangen, die Augen munter und mit dem gespitzten Mund an einem Likörglas nippend. Sein veilchenblauer Rock klaffte ebenso offen wie die graue Weste, und er hatte die Halsbinde gelockert.
Lewis spürte, wie Wärme aus dem Raum drang, und jetzt hörte er das Knistern eines Kaminfeuers. Bode setzte sein Glas ab und sprach zu seinem Gegenüber, den Lewis wegen des Türblattes nicht erkennen konnte.
„Abaris! Es will mir nicht gelingen, mein Verlangen zu unterbinden, immer wieder auf dein Wohl zu trinken! Ich bin froh, dass sich die Dinge zum Besten wenden! Die Provinz Ionien und unser herrliches Hieropolis werden in neuem Glanz erstrahlen, wenn diese arge Zeit hinter uns liegt.“
Lewis erkannte die verschlüsselten Benennungen aus dem Sprachgebrauch der Illuminaten wieder. Hieropolis musste der geheime Name für Weimar sein. Doch auch der Name, mit dem Bode seinen unsichtbaren Gesprächspartner angeredet hatte, kam Lewis bekannt vor. Er hatte doch unten in den Gängen den Ansatz einer Auflösung gehabt ...
Jetzt sprach auch der andere Mann, und Lewis erstarrte.
„Darauf können wir nur trinken, guter Tristram! Ich hebe mein Glas auf glückliche Zeiten.“
Lewis glaubte zunächst, seine Ohren hätten ihn getäuscht. Doch als der Mann weitersprach, wurde ihm klar, wessen Stimme er da hörte. Jener unsichtbare Gast, der sich freundschaftlich, ja mitverschwörerisch mit Johann Christoph Bode unterhielt, dem Kopf der Weimarer Illuminaten und der Schwarzen Brüder, dem verbrecherischen Geist, der hinter Morden, Komplotten und dem Plan stand, den Herzog, die Adelsherrschaft, ja die geregelte Staatsordnung zu stürzen, jener Mann war ohne jeden Zweifel Johann Wolfgang von Goethe!
Vierzehntes Kapitel
In welchem Ereignisse und Personen ihr Ende finden
L ewis wandte den Kopf zu Hardenberg und sah ihn verdattert und bestürzt zugleich an. Er wollte nicht glauben, welches Szenario sich da vor ihm ausbreitete: Der vermeintlich entführte und in tödlicher Gefahr schwebende Goethe war seinem vorgeblichen Widersacher nicht nur freundschaftlich zugetan, sondern kollaborierte mit diesem! Goethe war ein Logenbruder Bodes, ein Illuminat und somit zweifellos Gegner von Staat und Monarchie!
Lewis überkam die schreckliche Gewissheit: Goethe, der Vertraute des Herzogs Carl August, sollte als Waffe gegen diesen dienen. Wer wusste, was auf dem Feldzug nach Frankreich geschehen war? Vielleicht waren der Herzog schon tot, das Heer versprengt
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