Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
nächsten Schale schritt und wieder mit den Händen durch die Flämmchen strich. Wieder quoll Rauch empor, und dieses Mal richtete sich der scharf geführte Zeigefinger des Mesmeristen auf Lewis selbst.
Lewis schlug mit den Lidern. Dort in der Säule aus schimmerndem Rauch sah er die Gestalt eines Mannes in klösterlichem Habit. Das Bild verschwamm, bewegte sich mit dem Wallen des Rauches, und doch war es für ihn unzweifelhaft zu erkennen. Worte und Begriffe strömten von dem Mönch auf ihn ein, und Lewis spürte, wie sich sein Mund öffnete und schloss, wie sein Atem eben diese Worte ausstieß, ohne dass er dies bewusst herbeigeführt oder zu unterbinden vermocht hätte. Er hörte sich von Ministern und Burggeistern sprechen, von Wunderfabeln und Gefangenen, von Harfnerstöchtern und Venezianern, von Walddämonen und Tartarenherrschern, und schließlich sah er seinen eigenen Tod.
Dann löste er sich aus diesem Wachtraum. Er sah, wie Hardenberg ihn verstört anschaute und wusste nicht, warum. Eben noch hatte er die Rauchsäule aufsteigen sehen, nun war sie schon im Raum verhaucht, ohne dass er sich zu erinnern vermochte, was in dem Zeitraum dazwischen geschehen war.
Der Blick Hardenbergs erfüllte ihn mit der Vermutung, dass er im Bann des grünen Rauches Ähnliches von sich gegeben haben musste wie dieser. Für einen Augenblick dachte er darüber nach, Hardenberg nach seinen eigenen Aussprüchen zu fragen. Oder sollte er es doch nicht tun? Hardenberg schien bestürzt gewesen zu sein, obgleich er nun keine Anzeichen mehr davon zeigte. War es klug, sich auszutauschen und so die nun glücklich vergessenen Schrecken erneut und für immer zu erfahren? Doch dann entsann er sich, dass dazu wohl keine Gelegenheit mehr bleiben würde, da sie alle ...
Balsamo war zum nächsten Kohlenbecken geschritten und wollte gerade seine Gesten vollführen, als Bodes Stimme überaus zornig aufdröhnte.
„Schluss damit! Die Spukbildnisse können Sie vor empfindsamen Hofschranzen und schwärmerischen jungen Herren beschwören! Tun Sie, was Ihnen aufgetragen ist!“
Balsamo hatte sich fahrig umgedreht, als habe Bodes Ausbruch ihn selbst aus einer Art Traum auffahren lassen. Noch ehe er etwas entgegnen konnte, knurrte Bode weiter: „Als nächstes hätten Sie wohl mir etwas mit Ihrem Hokuspokus vorgaukeln wollen ...“ Er trat wieder ins schwache Licht der Feuerschalen. „Oder dem Geheimrat. Doch der muss seinen Geist nun für anderes bereithalten. Balsamo, beginnen Sie!“
Goethe war all dem reglos gefolgt. Doch nun, als Balsamo zwei hohe Kerzenleuchter hinter seinem Stuhl hervorholte und sie neben den Lehnen aufstellte, die beiden einzelnen Wachslichter entzündete und sich deren Schein über sein Gesicht ergoss, sah Lewis, wie der Schweiß an den Schläfen des Geheimrats herunterrann. Nichts erinnerte mehr an den selbstsicheren Mann, der vor Monaten den Beschwörungen Balsamos mit Stolz und Überheblichkeit begegnet war. Goethe schien wirklich vor dem zu bangen, was nun bevorstand.
In Balsamos Hand erschien sein mesmerisches Pendel mit dem taubeneigroßen Kristall, das Lewis sogleich erkannte. Schillernd brach sich das Licht der Kerzen darin und schien Regenbögen durch den finsteren Saal zu senden.
„Ein wunderbares Schauspiel!“, rief Bode, und Balsamo wandte ihm verstört den Kopf zu. Er war auf diese Störung nicht gefasst gewesen, hatte mit der Mesmerisierung des Geheimrats beginnen wollen.
Bode klatschte in die Hände. Als sei dies ein verabredetes Zeichen, bewegte sich einer der Maskierten und verschwand, so glaubte Lewis zu erkennen, durch die Geheimtür hinter dem Banner, durch die zuvor Bode den Saal betreten hatte.
Bode machte eine beschwichtigende Geste in Richtung Balsamo. „Sie werden gleich fortfahren können. Aber ich meine, es sei zunächst an mir, eine kleine Erscheinungszauberei zu wirken. Sie, Balsamo, haben die anwesenden jungen Herren vortrefflich verwirrt und eingeschüchtert. Ich habe aber das Bestreben, dies bei unserem Hauptgast selbst vorzunehmen.“ Bode legte den Finger an seine Kinnwülste. „Doch ich will mich verbessern. Nicht verwirren und einschüchtern will ich Goethe, sondern ihm ein Stück seiner Zukunft vor Augen halten. Ich will dem bald regierenden Herrscher von Weimar seine Krone darbieten!“
Er umfasste seine Hände und lächelte, als erfülle ihn eine unbändige Freude.
Lewis fragte sich, welche Teufelei Bode ersonnen hatte. Was konnte ihm daran liegen, Goethe jetzt, in diesem
Weitere Kostenlose Bücher