Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
Augenblick, irgendein Gebilde aus Gold und edlen Steinen vorzuführen?
Da raschelte der Vorhang, und der Maskierte kehrte zurück, diesmal mit einem Kandelaber in der Faust. Lewis reckte den Hals. Der Mann trug nichts anderes in den Händen. Stattdessen hielt er das an der Wand befestigte Banner hoch und trat zur Seite, als wolle er jemandem den Eintritt erleichtern. Lewis erkannte, dass sich an dieser Stelle tatsächlich eine Geheimtür befand, und in deren Rahmen erschien nun eine Gestalt, die erhobenen Hauptes in das Gewölbe trat. Es war eine Frau. Ihr helles Haar wallte vom Haupt, ihr elfenbeinfarbenes Kleid schimmerte, und ihr Antlitz schien so kalt und schön, als sei es aus Marmor. Lewis betrachtete sie aufmerksam, als sie mit leicht gesetzten Schritten näher kam, und dann erkannte er sie.
Bode ging der Frau entgegen, reichte ihr höflich den Arm und führte sie zu Goethes Armsessel und um diesen herum. Der Maskierte mit dem metallenen Kerzenleuchter war im Dunkel zurückgeblieben und hatte die Kerzen wieder gelöscht.
Nun trat Bode mit der Frau in den Lichterschein. „Ich darf dir deine zukünftige Fürstin, die Frau an deiner herrschaftlichen Seite vorstellen.“
Goethes Augen weiteten sich. Die Frau lächelte kalt.
Es war Corona Schröter. „Guten Abend“, sagte sie sanft.
„Crone“, antwortete Goethe, der seinen ersten Schrecken überwunden hatte und dessen Geist in diesem Augenblick rasch zu erfassen begann, was hier gespielt wurde. „Du bist von solchem Abscheu gegen mich erfüllt, dass du mit diesen Individuen gemeinsame Sache machst?“
Corona Schröter lachte. „Ich dich verabscheuen? Du weißt, das Gegenteil ist der Fall. Du hast dich von mir abgewandt!“ Eine Falte erschien zwischen ihren Brauen, wie von einem plötzlichen Meißelschlag in ihre perfekte Stirn getrieben. „Für jenes bäurische Geschöpf ...“
„Corona!“, sagte Bode nachsichtig, aber doch mit deutlichem Unterton. „Mäßige dich! So ein Ausdruck in Wort und Antlitz steht einer künftigen Fürstin nicht gut zu Gesicht. Wenn es dich nach kleinen Racheakten gelüstet, so bedenke, dass du sie in kürzester Zeit kalt genießen kannst. Du darfst mit Nebenbuhlerinnen umspringen, wie es dir beliebt ...“
Corona Schröters Züge glätteten sich wieder. „Das ist wahr.“ Sie überlegte kurz, lächelte dann wieder sphingenhaft und hauchte einen Kuss auf ihre Fingerspitzen. Diese legte sie Goethe auf die Lippen, der voll Ekel den Kopf zur Seite drehte. Corona Schröter übersah dies ohne eine Gefühlsregung und wandte sich dann stolz ab. „Bis später“, verabschiedete sie sich leise und schritt dann in die Schatten der Säulen hinein.
Lewis folgte ihr mit den Blicken, sah, wie sie sich neben eine Säule stellte, von der sie einen guten Blick auf Goethe und Balsamo hatte. Lewis sah auch, wie sie langsam den Kopf wandte und ihn dann plötzlich ansah. In ihren Augen schien es aufzublitzen, als erkenne sie ihn wieder, und das leichte Nicken, mit dem sie ihn grüßte, sandte Lewis ein stechendes Gefühl den Rücken hinab. Er hoffte, das matte Licht hatte ihn getäuscht, als er glaubte, ein anzügliches Lächeln in ihren Mundwinkeln bemerkt zu haben.
Bode befahl Balsamo, mit seiner Prozedur fortzufahren.
Das kristallene Pendel begann zu schwingen, warf seine bunten Strahlen ins Dunkel, und Balsamo begann in dessen Takt seinen monotonen Singsang.
Lewis spürte die mesmerisierende Kraft des blitzenden Lichtes und der einlullenden Worte selbst über das Halbdutzend Schritte, das er entfernt stand. Wie sollte dann Goethe dem widerstehen können? Tatsächlich wurde dessen Blick unter den flatternden Lidern trübe, seine Züge verloren ihre Spannung und sanken hinab. Goethes Finger, die sich zuerst noch um die Lehnen des Stuhles geklammert hatten, lockerten ihren Griff, und auch die Schultern Goethes fielen in sich zusammen.
Bode betrachtete dies mit offenkundiger Genugtuung und begann, siegessicher zu lächeln, als Goethe leise begann, die ihm von Balsamo eingegebenen Worte zu wiederholen.
Lewis blickte aus den Augenwinkeln zu Hardenberg, der ganz ruhig dastand und keine Gefühlsregung zeigte. Was mochte in ihm vorgehen? Lewis sah das grausame Schauspiel, in dem Goethes Willen und Geist gebrochen wurde, mit immer größerer Verzweiflung. Konnte er etwas tun? Für einen Augenblick überlegte er, hinzuzustürmen und den Bann zu brechen, den Balsamo über Goethe gelegt hatte. Doch dann erinnerte er sich an die Maskierten,
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