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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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Herder und grinste. „Das saß! Wie ich erwähnte, gut, dass ich hier bin, um meinen Teil einzustecken.“
    „Ja, es ist ein ziemlich gefährliches Talent, das zu haben ich mich rühme. Zum Glück hat mich die Natur mit einem unschuldigen, anständigen Wesen gesegnet. Mein Menschenhass ist nur gespielt. Ich liebe die Menschheit, und wenn ich auch über die Gebrechen der einen und über die Schwachheiten der anderen spotte, so geschieht es in der Regel freundlich und in der Absicht, ihnen scherzend heilsame Wahrheiten zu sagen, die man zuweilen geradezu nicht zu sagen wagt.“
    „Wohl gesprochen“, meldete sich Lewis zu Wort und nickte erst Wieland und dann zögerlich auch Herder zu.
    Wieland kniff die Augen zusammen und fixierte Lewis. „Nun, auch Sie haben, wie ich hörte, ein gefährliches Talent.“
    Lewis runzelte die Stirn. „Ja?“
    „Sie können Leuten Furcht einjagen mit dem, was Sie fabulieren.“
    „Fabulieren?“ Lewis schoss es kalt durch den Magen. Was mochte das Wort bedeuten? Was um Himmels Willen erzählte man über ihn, schlimmer noch, warf man ihm vor?
    „Erzählen. Mit dem, was oder vielmehr wie Sie es erzählen. Goethe sagte, Böttiger hätte so etwas bemerkt.“
    „Ja, ich habe Ambitionen, was das Dichten angeht. Wie erfolgreich diese sein mögen, kann ich nicht entscheiden.“ Lewis wollte nicht an das schreckenerregende Manuskript unter seinem Bett denken.
    „In welcher Art möchten Sie arbeiten? Lyrik, Epik ...?“ Wieland wischte ein Stäubchen von seiner Kniehose und versuchte, so beiläufig zu klingen, dass Lewis so etwas wie eine rhetorische Falle witterte. Er hütete sich, mit Wieland konkurrieren zu wollen und flüchtete sich kurzerhand nach vorn: „Dramatik. Ich habe in Paris so häufig und mit Begeisterung das Theater besucht, dass auch ich mich an einem Stück versuchen möchte.“
    „Auf den Spuren Shakespeares“, sagte Wieland versonnen. „Auf den Spuren eines der Größten. Sehr enthusiastisch für einen jungen Mann, der reüssieren will. Aber immerhin haben Sie einen Vorteil ...“
    Lewis hatte schon einen stummen Seufzer ausstoßen wollen, als er Wielands Worte vernahm. Ihn mit Shakespeare zu vergleichen war mehr Spott, als er ertrug. Jetzt aber horchte er auf – folgte etwa eine Ermutigung?
    „Welchen?“
    „Sie sind ebenfalls Engländer.“
    „Das ist“, seufzte Lewis, „herzlich wenig.“
    „Nein“, antwortete Wieland ohne Anzeichen von Unernst. „Wenn Sie sich anstrengen, mag es reichen.“
    „Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen ...“, begann Lewis, aber Wieland schnitt ihm das Wort ab. „Warten Sie ab. Warten Sie ab.“ Er wandte sich an Herder und schüttelte den Kopf. „Immer diese Jugend, so ungestüm!“ Dann runzelte er die Stirn, als erkenne er erst jetzt, wen er angesprochen hatte. „Ach, Jungvolk!“ Herder lächelte gewinnend, und Lewis fühlte sich angesteckt.
    Mittlerweile hatte die Kutsche die Stadt hinter sich gelassen und war auf eine Kastanienallee gefahren. Die tiefstehende Sonne schien zwischen den Bäumen hindurch, die Bewegung der Kutsche machte daraus ein ständiges Flackern und Aufblitzen von Licht.
    Wieland sah seine Mitreisenden an. „Ich werde jetzt für einige Zeit meinen Mund halten, heute Abend werde ich noch genug Unterhaltungen führen müssen. Ich werde ein wenig dösen, während sich die beiden jungen Herren miteinander bekanntmachen. Auf Tiefurt wird auch dafür wenig Zeit bleiben.“ Er lehnte sich zurück, so dass das Käppchen ein wenig nach vorn rutschte, und schloss die Augen. „Ich bitte, mich zu wecken, wenn wir da sind.“ Dann begann er, ruhig und tief zu atmen.
    Herder schien dies nicht zu überraschen, während Lewis etwas ungläubig auf den augenscheinlich Schlafenden blickte. Er wollte etwas bemerken, als Herder ihm zuvorkam.
    „Was meinte Herr Wieland damit, dass Sie Leuten Furcht einjagen?“
    Lewis setzte sich auf. „Ich hatte bei meinem Gastgeber, Herrn Böttiger, das eine oder andere von meiner Reise berichtet, und da ich offen gestanden dem Wein ziemlich zugesprochen hatte, gerieten meine Ausführungen recht eindrucksvoll.“
    „Vermutlich um so eindrucksvoller, da Sie nicht in Ihrer Muttersprache redeten.“
    Lewis hob die Schultern. „Denkbar. Ich vermute, der Wein hat geholfen und auch der vorangegangene Lesestoff.“ Herder gegenüber verspürte er nicht die Scheu, die ihn davon hatte absehen lassen, Wieland etwas von seinen Faibles und Erlebnissen schauerlicher Art zu berichten.

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