Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
Vom Netzwerk:
um. „Um es kurz zu machen: Die Kutsche steckt im Graben.“
    „Dann sollten wir helfen, sie da herauszuholen“, sagte Wieland und machte eine auffordernde Geste. Herder und Lewis nickten, erhoben sich schwankend von ihren Plätzen und standen dann gebückt da, die Köpfe unter dem niedrigen Dach geneigt. Der Boden der Kutsche fiel zur Waldseite steil ab und ragte zum Weg hin auf, sie konnten sich glücklich schätzen, dass sie nicht umgekippt war. Der Stamm eines querliegenden Baumes hatte sie abgefangen.
    Herder versuchte, die untere Tür zu öffnen, aber es gelang ihm nicht. Ein schmaler Spalt zeigte sich, durch den man Gras und Rinde sehen konnte, dann schlug die Tür gegen ein Hindernis. Irgendetwas plätscherte. „Im Graben läuft ein Rinnsal“, sagte er, nachdem er kurz durch das Fenster hinausgeschaut hatte. „Die Räder stecken im schlammigen Grund.“
    Lewis sah an sich hinab, dann auch auf Herders Garderobe. Fast war er froh, dass dieser Weg verwehrt war. „Mir scheint, wir müssen auf der anderen Seite aussteigen ...“
    Beide kletterten auf das obere Fenster zu und schoben sich mit Entschuldigungen an Wielands Beinen vorbei. Schwer klappte die Tür gegen die Flanke des Aufbaus, nachdem Lewis sie aufgedrückt hatte. Herder stieß sich ab, machte einen Satz und landete auf dem Weg, wobei er ein Staubwölkchen aufwirbelte. „Kommen Sie“, sagte er, als er Lewis zögern sah. Der stützte sich ab, brauchte ein wenig länger, auch sah es weniger elegant aus, aber schließlich standen sie nebeneinander vor der Kutsche und betrachteten die Bescherung.
    Schief hing der Wagen da, bedenklich schief. Die Deichsel ragte schräg empor, die vordere Achse stand quer, es schien, als habe allein der geistesgegenwärtige Kutscher sie vor Schlimmerem bewahrt. Der schlaksige Mann mit dem hageren, griesgrämigen Antlitz beruhigte gerade die Pferde, denen nichts geschehen zu sein schien, die aber nervös im Staub mit den Hufen scharrten. Herder trat auf ihn zu: „Bekommen wir den Wagen wieder heraus?“
    Der Kutscher rieb sich das Kinn, das ein langer Schmiss verunstaltete. „Achsen und Deichsel sind intakt, wie es aussieht.“ Er beäugte die beiden jungen Männer. „Wenn Sie mit anpacken würden und schieben hülfen ... damit der verquere Zug nichts zerbrechen lässt.“ Er wies auf den Winkel, in dem die Pferde zum Wagen standen. „Ich muss die Tiere führen, damit nichts schiefgeht.“
    „Natürlich“, sagte Herder. Er wandte sich zum Schlag, in dem es sehr still war. Lewis reckte den Hals. Hatte Wieland nicht auch aussteigen wollen?
    „Herr Wieland?“, rief Herder.
    Drinnen raschelte es, dann schoben sich Haupt und Oberkörper Wielands aus dem oberen Fenster wie der Holzvogel aus einer Schwarzwälder Kuckucksuhr. Wieland rückte das Käppchen zurecht, räusperte sich und sagte: „Ja?“
    Herder und Lewis sahen einander an. Herder presste die Lippen aufeinander, als müsse er etwas zurückhalten, das sonst herausgeplatzt wäre. Lewis kam ihm zu Hilfe. „Herr Wieland, wir müssen die Kutsche aus dem Graben schieben.“
    „Sehr schön“, sagte Wieland und sah sich um. Die tiefe Sonne blitzte durchs Gesträuch, die Vogelstimmen wurden langsam stiller. „Tun Sie das, diese Lage ist recht unbequem.“
    „Möchten Sie nicht herauskommen?“ Lewis bezweifelte, dass Wieland helfen mochte oder gar konnte, aber das Manöver würde bedeutend leichter vonstatten gehen, wenn sich kein Fahrgast mehr im Inneren befände.
    „Lieber Lewis, glauben Sie, ich sei ein so wendiger Springinsfeld wie Sie beide? Weder kann ich mich durch das Fenster da unten zwängen noch von hier oben hinabspringen. Vom Wollen ganz zu schweigen ...“
    „Aber wir ...“, begann Lewis. Herder fiel ihm ins Wort: „... werden uns an die Arbeit machen.“ Er zog seinen Rock aus und ging zu Wieland. „Würden Sie sich dessen annehmen?“
    „Aber sicher“, meinte Wieland. „Ihren auch, Herr Lewis?“
    Der zögerte, schlüpfte aber schließlich auch aus seinem Samtfrack und gab ihn Wieland, der mit den beiden Kleidungsstücken über den Armen noch bizarrer aussah, als ihn seine Pose ohnehin erschienen ließ.
    Schnell gingen Herder und Lewis um den Wagen herum. Dem Kutscher hatte Herder zugerufen, sie würden ihre Positionen einnehmen. Der Graben war mit reichem Grün bewachsen, mit Gräsern und Kräutern, genährt durch das Rinnsal, das die Walderde zu Schlamm verdünnte.
    Lewis blickte auf die dreckigen Räder, die trotzig im Grund saßen.

Weitere Kostenlose Bücher