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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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Antlitz strahlte tatsächlich tiefempfundene Freude aus. Lewis war überrascht, wie unvoreingenommen der große Dichter auf ihn einging. Wie offen und gütig er schien.
    Überhaupt musste Lewis feststellen, wie hilfsbereit die Menschen in Weimar bislang zu ihm gewesen waren. Der ihm mit gutem, wenn auch schwatzhaftem Rat zur Seite stehende Böttiger, der ihn in seinem Haus aufgenommen hatte, Goethe, der ihn sogleich eingeladen hatte und nun Wieland, der sich ihm als Mitreisender anbot und sich ihm gegenüber so väterlich gab.
    Lewis saugte den gütigen Ausdruck, der auf dem Gesicht seines Gegenübers lag, mit jeder Faser seiner Seele auf. Der Gedanke an seinen eigenen Vater wandelte sich in seinem Mund zu einem bitteren Geschmack, und schon überkam ihn ein Gefühl des Misstrauens, als schliche sich diese Bitterkeit zurück in seine Gedanken. Vor ihm erschien das Bild Böttigers, der ihn als geduldigen Zuhörer für sein Getratsche gebrauchte. Das Antlitz Goethes, der ihn bei der Weimarer Gesellschaft scherzend als Exoten von den britischen Inseln vorführte, und nun auch dieser alternde Poet, dem die Leserschaft entglitt, die Anhängerschaft verlustig ging und der ihm sein Leid klagte. Lewis senkte die dunklen Brauen, und im gleichen Maße verzogen sich auch seine Mundwinkel.
    Das Bild des höflichen älteren Mannes verschwamm vor seinen Augen.
    „Nun, junger Herr Lewis, ich muss mich entschuldigen“, sagte Wieland plötzlich. „Ich spreche von mir, dabei sind Sie es, der als Gast Aufmerksamkeit verlangt. Also denn“, er klatschte sich mit den Händen auf die Knie, „frisch heraus, was erwarten Sie vom heutigen Abend?“ Er klatschte erneut, zweimal kurz hintereinander, als wolle er Lewis aufmuntern. „Nicht so grimmig dreingeblickt! Mir scheint, als zögen noch alle Nebel Britanniens durch Ihren Kopf und verdüsterten Ihr Gemüt!“
    Lewis fühlte sich beschämt und rang sich ein schwaches Lächeln ab. Er durfte diesem Mann nicht mit Arg begegnen, das war unrecht. Was trug der für eine Schuld an seinen eigenen, missmutigen Gedanken? Keine. Vielmehr hatte Wieland verstanden, was an seiner Seele nagte. Zwar war es nicht das Klima, aber doch etwas aus seiner Heimat, nämlich das, was er dort zurückgelassen hatte und doch stets bei sich trug, den Gedanken an Vater und Mutter, die beide auf eine gewisse Art gestorben waren.
    Lewis zwang sich, Wielands Frage zu beantworten. „Nun, ich hoffe, dort im Umgang mit der hohen Gesellschaft den Schliff und die Etikette zu erhalten, für die mich mein ... für die England seine Söhne auf den Kontinent entsendet.“
    „Groß und gut gesprochen, junger Master Lewis“, lachte Wieland, und seine gewaltige Nase bebte. Dann nahm er sein Gegenüber näher in Augenschein. „Aber vergessen Sie nicht, dass wir uns auf dem Weg zu einem künstlerischen Beisammensein befinden, nicht zu einem höfischen Zeremoniell. Tiefurt ist der Sommersitz der Herzoginmutter. Sommersitz! Allein das Wort strahlt so viel Leichtigkeit aus, dass es sich verböte, dort Strenge und Steifheit herrschen zu lassen. Glauben Sie mir, es ist höchst angenehm.“
    „Dann möchte ich mich aufs Angenehmste überraschen lassen. Nehmen Sie nichts vorweg, ich habe bereits durch Herrn Böttiger …“
    „Ah, Böttiger! Ich kann mir vorstellen, dass Sie durch ihn bereits so einiges erfahren haben. Sagen Sie – und verspüren Sie keine Scheu, offen zu sein –, was hat der Gute über meine Person zu berichten gewusst? Ich kann mir vorstellen, er hat Sie ausführlich unterrichtet ...“
    Lewis zuckte die Achseln. „Ich muss Sie enttäuschen. Zu Ihnen ist er nicht mehr gekommen.“ Die Bemerkungen, die Böttiger in Bezug auf Wieland und die damalige Herzogin gemacht hatte, konnte und wollte er nicht wiedergeben.
    „Prächtig!“, rief Wieland und lachte wieder. „Dann sitzen Sie also mit dem großen Unbekannten in einer Kutsche. Denn wenn Sie nur das parat haben, was Sie selbst in Erfahrung brachten – wie unwissend sind wir doch alle ohne Böttigers Nachhilfe in Sachen Mensch.“
    „Ja, das mag stimmen“, meinte Lewis. Er wollte lächeln, dachte aber an seine vorangegangenen Überlegungen zurück und ließ es. „Wie weit ist es bis Tiefurt?“
    „Nicht weit. Eine gute halbe Stunde Fußwegs außerhalb von Weimar.“ Wieland bemerkte Lewis’ Blick. „Aber eine alte Eule wie ich lässt sich gern nach Athen tragen. Beziehungsweise fahren.“
    Lewis wusste nicht zu ergründen, worauf Wieland anspielte. Aber

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