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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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sehr angenehm. „Haben Sie Interessanteres mitgehört als in den höheren Kreisen, in denen Sie bislang verkehrten?“
    „Nun, es scheint, als seien die Bürger und Bauern peinlich darauf bedacht, dass nichts, was sie an Wichtigem zu sagen haben, in falsche Ohren gerät ...“
    Herder schmunzelte wissend, aber sein Blick wurde kalt. „Gut erkannt. Ich denke, Ihnen ist bekannt, dass eine jegliche Obrigkeit genauso darauf bedacht ist, das Ohr am Munde des Volkes zu haben, wie Sie, wenn auch aus anderen Gründen, nämlich um etwaige Umtriebe frühzeitig zu erkennen.“
    „Das leuchtet ein, aber warum ...“
    „Sie fallen auf. Sie sind fremd hier, und Weimar ist klein. Hinzu kommt, dass Sie als einzelne, ohne festes Ziel umherstreifende Person ein wenig Misstrauen erregen ...“
    „Oh ...“ Er überlegte. „Da war noch ein anderer Mann, und der ist selbst mir aufgefallen.“
    „Gut erkannt“, lobte Herder, „das war gewiss ein Spitzel. Von denen treiben sich einige vermehrt umher, seitdem im Sommer die Studenten in Jena unruhig wurden, und über allem schweben die Nachwirkungen der Revolution in Frankreich und die nahenden Franzosen.“ Er schlug sich auf die Schenkel und stand auf. „Aber was rede ich! Kommen Sie, wir gehen noch einmal über den Markt und lauschen, und was wir nicht selbst erhaschen, werde ich Ihnen erklären. Schließlich sollten Sie genau wissen, wo und in welcher Stimmungslage Sie die kommenden Monate verbringen.“
    Lewis war überrascht, wie anders er nun die Bevölkerung auf dem Marktplatz erlebte. Mochte es daran liegen, dass er munter plauschend mit einer anderen Person über das Pflaster spazierte, oder daran, dass es sich dabei um Herder handelte, der ein rechtes Geschick für Scharaden an den Tag legte – es war nun möglich, viel mehr Gespräche mitzuhören.
    Einiges, was er vernahm, erfüllte ihn mit Staunen. Nicht, dass er staatlichen Dingen blauäugig gegenüberstand, er wusste wohl, welche Auswirkungen und Auswüchse Herrschaft und Untertanentum haben konnten.
    Aber hier, am Musenhof von Weimar, im Idyll der kleinen Stadt mit ihren großen Menschen, hätte er eine solche Unzufriedenheit der niederen Bürger nicht erwartet. Er hörte von heftigen Konfrontationen um Weiderecht und über harte Strafen für die Verweigerung von Frondiensten. So wollte der Hof mit Lebensmitteln und anderen Naturalien versorgt werden, Brennholz für Beamte herbeigeschafft und die eine oder andere Reparaturarbeit an fürstlichen Bauten unternommen sein. Beklagt wurde sich über das ausufernde und zügellose fürstliche Jagdgebaren und über hohe Abgaben – und darüber, dass diese Klagen empfindliche Repressalien nach sich zogen. Im schlimmsten Falle drohte das Zuchthaus.
    Doch selbst das mochte nicht das Ende des Unheils sein. Hier und da klang Besorgtheit auf. Die Ereignisse in Frankreich, die Feldkampagne des Herzogs und die durchmarschierenden preußischen Truppen erinnerten viele an die Zeit, als für den Krieg der Engländer gegen die abtrünnigen Kolonien in Amerika Soldaten zwangsrekrutiert wurden. Schon fürchteten manche, die Werber würden wieder durchs Land ziehen und Männer zum Militärdienst pressen. Damals war man auch im Zuchthaus nicht sicher gewesen: ein verschobener Häftling sparte dem Herzogtum nicht allein die Kosten der Verpflegung, sondern brachte der Staatskasse sogar noch einen Betrag ein.
    Was, wenn nun der Krieg sich ausweitete, wenn er näherkam?
    Lewis war über die Unzufriedenheit, die hinter der schönen Fassade Weimars brodelte, erschrocken. Deswegen war er beinahe erleichtert, dass angeblich allenthalben Spitzel durch die Mengen streiften, denn es durfte doch nicht sein, dass sich die Oberen dem vergeistigten Schein hingaben, ohne zu wissen, was im Volke gedacht wurde. Herder teilte mit ihm letztere Ansicht, was jedoch die Bespitzelungen betraf, so konnte er keineswegs zustimmen.
    „Herr Lewis, ich denke, Ihr Umgang prägt Sie zu sehr. Ich möchte Sie hiermit einladen, irgendwann mit mir nach Jena zu kommen, um meine studentischen Freunde dort kennenzulernen. Sie sollte nicht nur mit Geheimräten und dergleichen verkehren ...“ Er lächelte gewinnend, so dass Lewis keinen Anlass hatte, dies als Stichelei zu sehen.
    „Ich nehme dies gern an. Es kann nur förderlich sein, so viele Meinungen und Facetten wie nur möglich betrachten zu können.“
    „Außerdem wäre es förderlich, auch einmal dort zu sein, wo es recht lustig zugeht! Sie scheinen mir manchmal gar

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