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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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merkte, wie er über all diesem Nachsinnen ins Stocken geriet und widmete sich wieder dem Erzählen. Er berichtete also, wie die Wahl des nächsten Anschauungsobjektes für Leones Fähigkeiten auf ihn fiel.
    „Ha!“, rief Böttiger. „Das sieht dem Geheimrat ähnlich. Seinen überlegenen Geist herauszustellen und andere vorzuführen. Ich erinnere mich da an eine Sache mit einem befleckten Betttuch ...“ – er stockte, als er den empörten Blick seiner Frau sah –, „... aber das ist kein Gespräch für den Tisch. Verzeihung, Herr Lewis.“
    Lewis nickte und hatte wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit Eleonore Böttigers. Er berichtete vom glitzernden Pendel, bei dessen Beschreibung besonders Karlchen große Augen machte. Den Beginn der Vision beschrieb er getreu seiner Erinnerung. Ihm wurde dabei mit einiger Fassungslosigkeit, die er nur mit Mühe überspielen konnte, bewusst, wie ähnlich die Traumgestalt der Frau doch der leibhaftig vor ihm sitzenden Eleonore war. Ängstlich ließ er den Blick von ihr zu Böttiger wandern, doch in keinem der beiden Antlitze konnte er etwas lesen, was darauf hingedeutet hätte, dass seine Zuhörer diese Entdeckung teilten. Er war froh, dass die männliche Figur, deren Züge er nun schilderte, ihm in keiner Weise glich. Während er erzählte, bemerkte er, wie Eleonore ihn immer schärfer musterte, als erkenne sie für ihren Teil sehr wohl eine Artverwandtheit zwischen Traumgestalt und Träumendem. Rasch fügte Lewis die Beobachtung hinzu, dass es sich bei dem Mann offensichtlich um einen Geistlichen gehandelt hatte und die Szene in einer Kirche spielte. Dann ersann er rasch eine andere Auflösung, indem er angab, mit einem Donnerschlag seien die Trugbilder vor seinem inneren Auge erloschen, was ihn derart erschreckt habe, dass er vom Stuhl gestürzt sei. Von seinem Sturz hatte er Böttiger nämlich schon am vorigen Abend berichtet, als dieser nach dem Grund der unerwartet frühen Heimkehr des Engländers gefragt hatte. Lewis hoffte, dass das wahre Ende der Vision nicht über die üblichen mündlichen Wege doch noch seinen Weg in Böttigers Ohr finden würde. Ein törichter Wunsch, wie ihm aufging. Aber immerhin wäre es ihm möglich, auf einen Verlust der getreuen Erinnerung infolge des Sturzes hinzuweisen, womit er sich dem Vorwurf der Lüge entziehen könnte. Lewis seufzte leise.
    „Ach, Sie Armer!“, rief Eleonore Böttiger mitfühlend. Ihr Mann hatte ihr natürlich schon zuvor von dem Missgeschick berichtet und sie der Unversehrtheit des Gastes versichert, doch der Bericht aus erster Hand rührte sie verständlicherweise doch mehr an. „Solch ein Ende eines schönen Abends haben Sie wirklich nicht verdient – und den Anfang erst. Wären Sie doch nur hiergeblieben!“
    „Liebe Frau Böttiger, ich danke Ihnen für die Anteilnahme“, sagte Lewis und war froh, dass er einiges an Tatsachen unterschlagen hatte. „Aber ich habe ja alles heil überstanden.“ Er sah die beiden Eheleute nacheinander an. „So heil, dass ich mein Glück nicht allzu rasch wieder auf die Probe stellen will. Keine Kutschfahrten, keine abendlichen Séancen. Herr Goethe hat mich in den Mittwochsclub eingeladen, was ich sehr nett finde ...“
    „Goethe will Sie also in seinen eigenen vier Wänden empfangen. Sie können mir glauben, dann sind Sie seinem genialischen Weltgeist völlig ausgeliefert …“ Böttiger unterbrach sich, als schösse ihm ein Gedanke durch den Kopf. „Da fällt mir ein, er kann ja momentan gar kein Gastgeber für den Gelehrtenverein sein, da sowohl die alte Wohnung als auch die neue alles andere denn als wohnlich zu bezeichnen sind. Wahrscheinlich dürfte die Wahl auf Bertuch fallen, und dann haben Sie Gelegenheit ...“
    Lewis erlaubte sich ein kurzes Lachen und führte Böttigers Satz fort: „... das schönste Haus in ganz Weimar zu sehen, dessen Bau und Möblierung schon Schiller gelobt hat. Ja, das hat mir Herr Bertuch schon nicht ohne Stolz berichtet.“
    Böttiger zog sich am Ohrläppchen. „Ich sehe schon, bald kann ich Ihnen nichts mehr berichten, weil Sie selbst schon alles in Erfahrung gebracht haben. Doch nichtsdestoweniger werden Sie bei einer solchen Gelegenheit Herrn Schiller persönlich treffen und feststellen, dass er sich nicht allein auf tatsächliche Gebäude versteht, sondern auch auf jene geistiger Art.“
    „Ich sehe dem freudig entgegen. Doch zunächst möchte ich Herrn Goethes anderer Empfehlung nachkommen und durch Weimar spazieren, insbesondere

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