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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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schweigen davon, dass er weder das Gesicht des Mannes auf dem Marktplatz noch jenes halb von der Mauer verdeckte Antlitz genau hatte sehen können. Lewis schnaufte verächtlich. So ein wunderbarer Tag, so wunderbar, wie er begonnen hatte, und dennoch bedurfte es nur einer dürftigen, zumal noch unechten Ruine, die nicht einmal einem Kind als Spukstätte einen Schrecken würde einjagen können, um ihn, Lewis, in die alten Ängste zu versetzen. Er beschloss, die Schauerromane von nun an zu meiden, ja mit Verachtung zu strafen – und das verschwundene Manuskript? Gut, dass es verschwunden war! Das Alptraumgespinst aus Papier und Tinte, fort damit und nicht mehr daran gedacht!
    Ein Gegenmittel musste her, um seinem Schreibwillen Genüge zu tun. Warum nicht, um sich nebenbei auch weiter in der Sprache zu üben, einige Zeilen von den großen Weimarer Dichtern übertragen und ihnen diese als Dank für die freundliche Aufnahme – und den Beistand in gewissen, unangenehmen Situationen – verehren?
    Lewis hob den Stock, drohte der längst nicht mehr sichtbaren Ruine und wandte das Antlitz der Sonne zu. Weiter auf dem heiteren Spaziergang, die Luft und das Wetter genossen und die muntere Laune der Natur in sich aufgenommen! Er setzte den Stock auf den Boden, und Schritt für Schritt bewegte er sich weiter auf dem Weg, zwang sich zu tun, als sei nichts gewesen.
    Nach einem guten Stück, das er hinter sich gebracht hatte – auch wegen des hilfreichen Pfeifens eines Liedchens – war er wieder besserer Dinge.
    Bald überquerte er mittels einer Brücke zum dritten Male die Ilm und ging auf einem langgestreckten Weg in Richtung des Schlosses und somit der Stadt zurück. Langsam überkam ihn ein Hungergefühl, es musste schon über die Mittagszeit sein.
    Aus dem Blättergrün sah er mit einem Mal ein hohes, gelbes Haus schimmern. Das Gartenhaus Goethes, wie er sich dank Böttigers Schilderung erinnerte. Hier hatte der Geheimrat einige Jahre gelebt und gedichtet, umgeben von einem dicht bepflanzten Garten. Lewis kam näher, trat bedächtig heran und betrachtete die Front des Hauses, wo sich an einem hölzernen Gitterwerk Ranken emporschlängelten.
    Einen Moment lang überlegte er, ob er durch das kleine weiße Tor in der Hecke eintreten sollte, um nachzuschauen, ob Goethe vielleicht anwesend wäre, alter Zeiten gedenkend. Oder vielleicht, um dem Staub und dem Lärm im Haus am Frauenplan zu entfliehen. Nein, dachte sich Lewis, warum sollte er? Jetzt zur Mittagszeit war er sicher bei seiner Frau und dem jungen Sohn, um mit der kleinen Familie seine Mahlzeit einzunehmen.
    Lewis spürte, wie sein eigener Magen knurrte, so heftig, dass es selbst über das Vogelgezwitscher in den Zweigen hörbar war. Es war höchste Zeit zurückzukehren, um, sollte er den Mittagstisch versäumt haben, doch immerhin bei der Köchin einen am Herd warmgehaltenen Rest zu erhalten.
    Er hatte den einen Fuß schon vorangesetzt, als ihm eine Bewegung an der Fassade des Gartenhauses auffiel. Er sah genauer hin. War dort oben, im linken Fenster des oberen Stockwerks, nicht ein Schatten erschienen? Falls Goethe doch im Hause war und ihn gesehen hätte, wäre es doch unhöflich, nicht kurz zu grüßen.
    Lewis hob den Hut.
    Doch im linken, oberen Fenster rührte sich nichts. Vielleicht war Goethe nur rasch vorbeigeschritten, ohne einen Blick aus dem Fenster und auf den Weg zu werfen.
    Lewis drückte die Kopfbedeckung wieder auf seinen Scheitel. Warum auch Goethe? Genauso könnte ein Bediensteter in den Räumen zugange sein, ein Fremder, dem auch Lewis fremd wäre, und ebenso hätte es eine Spiegelung im Fenster sein können, Schwalben flogen hier zuhauf durch die Luft.
    Lewis ’ Magen knurrte erneut und forderte ihn zum Gehen. Rasch strebte er den geraden Weg entlang, bog seinem Gespür folgend nach links ab und kam tatsächlich wieder an der Sphinxgrotte vorbei. Das Wesen erwiderte seinen freundlichen Abschiedsgruß nicht, und so überquerte Lewis, ohne länger zu verweilen, die große steinerne Brücke, die ihn auf die Stadtseite der Ilm führte.
    Der Weg zum Haus der Böttigers war schnell zurückgelegt, was von Lewis einen angemessenen Tribut an Schweiß forderte. Einigermaßen erhitzt kam er an und erbat sich in der Küche zunächst einen Trunk kühlen Wassers.
    Die Köchin war gerade mit dem Säubern ihrer Gerätschaften beschäftigt und erschrak, als er den Raum betrat. Er fragte nach den Böttigers, sie sagte ihm aber knapp, der Herr Direktor und seine Frau

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