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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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durch die Parks. Denn ich sollte ja nicht nur die Menschen hier kennenlernen, sondern auch deren Umfeld.“
    „Richtig. Streifen Sie nach Herzenslust durch die Gassen. Es kann nicht schaden, wenn Sie nicht allein die Bekanntschaft mit dem Bürgertum und dem Adel machen, sondern auch dem einfachen Volk begegnen. Das mag Ihr Ohr schärfen und Ihre Zunge geschmeidig machen für die deutsche Sprache, auch wenn Sie sie schon vorzüglich beherrschen. Aber versprechen Sie mir, nicht allzu sehr der Sprache der Gassen zu verfallen. Nicht dass Sie allzu unbedacht bei Hofe oder in Anwesenheit von Damen Dinge aussprechen, die Sie von einem Fuhrmann oder Bauernlümmel aufgeschnappt haben.“
    „Ich werde mich zu benehmen wissen. Vielleicht höre ich auch erst gar nicht hin, wenn derlei Unaussprechlichkeiten ausgesprochen werden.“
    Er schaute freundlich Eleonore Böttiger an, die den Blick ein wenig senkte und dann über die vor ihr Lächeln gelegte Hand zurücksah.
    „Oh, Karl“, sagte sie. „Versuch doch nicht, Herrn Lewis zu erziehen. Das kannst du bei den Schülern und deinem Kind. Aber als angehender Dichter muss unser Gast doch alles in sich aufnehmen, dessen er gewahr wird. Sonst kann er doch nie das Leben in seinen Werken abbilden – und vertraue doch ein wenig mehr auf seine Manieren. Schließlich hat er sich bislang wacker geschlagen, was ihm nicht gelungen wäre, wenn es in Umgangsformen schlecht um ihn bestellt wäre.“
    Böttiger hob abwehrend die Hände und lächelte. „Herr Lewis, Sie sehen, Sie haben die beste Verbündete, die Sie sich in diesem Haus, ja vielleicht in ganz Weimar wünschen können.“ Er küsste seiner Frau die Hand und stand auf. „Nun folgen Sie mir doch, ich kann Ihnen auf einem Stadtplan in meinem Arbeitszimmer zeigen, wohin Sie Ihre Schritte lenken müssen, um an die erbaulichsten Orte dieser Stadt zu gelangen.“
    Lewis folgte dieser Einladung, die Eleonore durch ein aufmunterndes Nicken bekräftigte.
    Langsam begannen ihre Wangen, das Rot zu verlieren, das die Bemerkung ihres Mannes und der darauffolgende Blick von Lewis darübergelegt hatten.

    Eine Viertelstunde später spazierte Lewis über den Marktplatz, den Weg in Richtung des Ilmufers einschlagend. Böttiger hatte ihn diesmal nicht allein mit kundigen Ratschlägen und Empfehlungen bedacht, sondern ihm auch etwas Handfestes mit auf den Weg gegeben: Lewis schwang im Gehen einen gewaltigen Knotenstock.
    „Der hat dem Johann Kaufmann gehört, ein Dichter, den Sie nicht kennen müssen. Irgendwann hat er den Stock bei Goethe vergessen, und dann ist er bei mir geendet. Vor gut fünfzehn Jahren ist Kaufmann damit durch Dessau einhergestelzt, und er hat ihn nicht einmal im Zimmer der Fürstin oder an der Tafel des Fürsten abgelegt. Das gehörte zu seinem Selbstverständnis als Genius. Auch eine eigene Tracht hatte er. Während Goethe in Hosen und Weste aus weißem Leinen einherging, trug Kaufmann eine grüne Friesjacke und Charivaris – das sind Reithosen, die mit Leder besetzt sind und an der Seite Knöpfe haben –, die Brust war bis zum Nabel hinunter nackt, und sein Haar flatterte wie eine Mähne. Das soll ein Anblick gewesen sein! Aber wie auch immer, Sie wollen sich Weimar erwandern, dann brauchen Sie einen guten Stock, und dieser hier ist so gut wie jeder andere, wenn nicht sogar besser. Nehmen Sie ihn, er wird Sie gut führen.“
    Lewis hätte gern erwidert, er gedenke, keine Bergtour zu unternehmen, willigte aber ein. Wie konnte er eine solch freundliche Geste abschlagen? Zumal er noch immer von seinem Gewissen geplagt wurde, was die Beugungen der Wahrheit anging, die er bei seiner Erzählung vorgenommen hatte.
    So ließ er auf seinem Weg die Spitze des Stockes munter auf das Pflaster pochen. Die Sonne schien herrlich, und Lewis erlaubte es sich, da es wärmer und wärmer wurde, die Weste ein wenig aufzuknöpfen. Nicht zu weit, selbstverständlich, das wäre ihm nicht schicklich erschienen. Der ungetrübte Himmel strahlte über den Dachfirsten, und Lewis spürte, wie sich die düsteren Gefühle der vergangenen Tage verflüchtigten.
    Auf dem Marktplatz trieben sich einige Bürger und Bauern umher, und Lewis beschloss, seinen direkten Weg zum Lauf der Ilm zu unterbrechen und einige Runden zu drehen. Beim Annähern an zahlreiche Personen und Gruppen schieden sich allmählich einzelne Gespräche aus dem Geplapper, und er lauschte auf das, was man einander hier und dort mitteilte. Gerede gab es und Tratsch, ganz wie ihn

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