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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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Böttiger zu berichten wusste, nur waren die Protagonisten hier die niedrigeren Bürger, die Bauern und die Tagelöhner, deren sittliche Kapriolen sich kaum von jenen der höheren Gesellschaft zu unterscheiden schienen. Frauen mit Hauben und ausladenden Röcken standen beieinander, Körbe oder Kannen in den Händen, und schwatzten. Nachdem zuvor Waren den Besitzer gewechselt hatten, war es jetzt an der Zeit, Neuigkeiten auszutauschen, die oftmals ebenso verderblich waren wie Fisch oder Eier und die deshalb nicht allzu lange gelagert werden durften. War mit dem Einkauf für das leibliche Wohl gesorgt, so mussten nun auch Kopf, Herz und vielleicht auch die Galle zu ihrem Recht kommen. Die Männer in steifen Jacken und mit Hüten, deren Krempen weich herabhingen, sogen vehement an ihren Pfeifen, und wenn sie es nicht taten, nutzten sie die Stiele als Instrumente, um ihre Darlegungen zu unterstreichen. Diese drehten sich zumeist um geldliche und politische Dinge und wurden teilweise in recht zurückhaltender Lautstärke geäußert, als seien sie wesentlich indiskreter als die privaten Belange der Mitbürger.
    Lewis strich umher, lauschte hier und lauschte dort, stets darauf bedacht, nicht aufzufallen. Wurde er nach kurzem Verharren und Ohrenspitzen misstrauisch beäugt, was häufig genug vorkam, so streckte er die Nase in die Luft und begann gemächlichen Schrittes zu lustwandeln, als sei sein Innehalten eine zufällige Unregelmäßigkeit in seinem Gang gewesen. Insgesamt geschah es aber, dass solcherart Gespräche schlagartig leiser wurden oder ganz verstummten, oft schwenkten sie zu unverfänglichen Themen um. Lewis schien es, dass sich die Reaktion der Marktgänger aufteilte: Einerseits schien da eine allgemeine Scheu zu sein, belauscht zu werden. Nicht etwa die Befürchtung, dass jemand etwas zufällig mitanhörte, sondern tatsächlich lauschte.
    Dann schien es Lewis, er falle durch seine Kleidung und Bewegung auf, obwohl er nichts Besonderes darin sah, auch nicht im direkten Vergleich zu anderen Bürgern. Aber sicher war das kleine Weimar untereinander so vertraut, dass ein jeder noch so unauffällige Fremde dennoch auffiel.
    Schließlich schien es ihm – ein im Grunde närrischer Gedanke –, dass ihn einige wenige der Frauen und Männer tatsächlich erkannten und sich daraufhin, wenn sie auch nicht gerade das Weite suchten, aus seiner Nähe entfernten. Darauf konnte Lewis sich keinen Reim machen. Er sagte sich, dass er sich dies nur einbildete, und ging auf den Brunnen mit der Neptunfigur zu, um kurz die Hände ins kühle Wasser zu tauchen. Als er dort am Brunnenrand saß, außer Hörweite jeglichen Gespräches, war es ihm, als benähmen sich die Weimarer wieder normal. Gebärden und Gespräche waren wie zuvor und kamen als stetes, aber unbestimmbares Gewimmel und Gemurmel bei ihm an.
    Er ließ den Blick schweifen und bemerkte in einiger Entfernung einen Mann, der ebenso müßig und ziellos wie er zwischen den Grüppchen auf dem Platz umherstrich. Auch er schien dann und wann beiläufig stehenzubleiben und ins Rund der Häuser oder den Himmel darüber zu blicken. Manche Gespräche verstummten oder wechselten das Thema, wenn er bemerkt wurde – Lewis erkannte das an den Gesten, die er mittlerweile unterscheiden konnte –, und einige der zuvor noch munter Plaudernden schienen sich mit einem Mal der übermäßig verstrichenen Zeit zu entsinnen und strebten auf eine der Gassen zu, die vom Marktplatz abgingen.
    Gerade als Lewis halb unernst dachte, ob sich dies um einen weiteren Engländer handelte, setzte sich eine Person neben ihn auf den Brunnenrand. „Guten Morgen!“ Es war Wilhelm Herder, der ihn gutgelaunt angriente.
    Lewis war ehrlich erfreut. „Wie schön, Sie zu sehen, Herr Herder!“
    „Schön zu sehen, dass Sie wieder bester Dinge und für einen belebenden Ausflug gewappnet sind.“ Herder wies auf den Knotenstock, den Lewis an den Brunnenrand gelehnt hatte und der dem Engländer mit einem Mal furchtbar vorkam. Herder sah glänzend aus, mit seinem meerblauen Rock über sandfarbenen Hosen. Lewis kam sich wie ein Trauervogel vor, mit seiner eigenen Kleidung, die so dunkel war wie Herders Augen.
    „Ja“, sagte er, „ich wollte die Stadt erkunden. Den Park an der Ilm und dergleichen. Dann bin ich aber hiergeblieben, um, wie es heißt, dem Volk aufs Maul zu schauen. Ich dachte, es könne nicht schaden, was mein Deutsch angeht.“
    „Löblich“, entgegnete Herder, und der Klang seiner Stimme war Lewis

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