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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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drängte Goethe weiter: „Nun machen Sie schon! Es eilt! Ich hoffe, Sie können reiten?“

Sechstes Kapitel
    In welchem Lewis über Stock und Stein geradewegs in die Hölle reitet
    D a Lewis, ohne sich zu entkleiden, eingenickt war, konnte er Goethes Wunsch, so schnell als möglich zu ihm herunter zu kommen, ohne großen Zeitverlust entsprechen. Allerdings stieß er die Halbschuhe von den Füßen und stieg in seine Stiefel, die ihm dem Anlass angemessener schienen. Er warf sich seinen Mantel über, trat leise mit einer Kerze in der Faust aus dem Zimmer und schlich sich über die Stiege nach unten, sorgsam jegliches Geräusch vermeidend, das die Böttigers aus dem Schlaf reißen könnte. Ein Wunder, dass sie Goethes Kieselsteinkanonade nicht gehört hatten!
    Unten an der Tür griff er an den Haken, an dem gemeinhin der Schlüssel hing, und entriegelte vorsichtig das Schloss. Karl Böttiger war stets darauf bedacht, seine ihm – und wahrscheinlich auch nur ihm – wertvollen Altertümer zu schützen. Lewis drückte sich durch die halbgeöffnete Tür nach draußen, zog sie zu und schloss einmal herum. Den Schlüssel schob er unter dem Türspalt ins Innere und bereute es sogleich. Was, wenn er Goethes Einladung – zu was auch immer dieser sie ausgesprochen haben mochte – nun doch nicht folgen wollte? Der Weg ins Haus zurück war ihm jetzt versperrt, und den Hausherrn aus seinem Schlummer zu reißen und um Einlass zu bitten, würde kein gutes Licht auf ihn oder vielmehr seinen Geisteszustand werfen. Sich mitten in der Nacht selbst au szusperren!
    Lewis seufzte und atmete tief die kühle Nachtluft ein, wodurch er endgültig wach wurde.
    Hätte er das nur schon vorher getan.
    „Was starren Sie denn dauernd auf die Tür?“, fragte Goethe hinter ihm.
    Lewis drehte sich um und sah den Geheimrat neben seinem Pferd stehen, ein zweites an den Zügeln haltend. In den Schatten konnte man die Farbe der Pferde kaum erkennen, wohl aber, dass es sich um zwei stattliche Tiere, eines heller, eines dunkler, handelte.
    „Das sind zwei sehr schöne Pferde, die Sie da haben“, sagte Lewis, um von sich abzulenken.
    Goethe sah von einem bemähnten Kopf zum anderen, als sähe er sie zum ersten Mal. „Wirklich?“, fragte er. „Sie kennen sich in derlei Dingen aus?“
    Lewis sah kurz gen Himmel. Konnte der Mann nicht Besitzerstolz zeigen, wie es jeder Engländer getan hätte? Vielleicht sollte Lewis sich derlei Höflichkeiten verkneifen, wenn es um Goethe ging.
    „Nur soweit nötig“, antwortete er und versuchte, einigermaßen nonchalant zu klingen.
    „Wundervoll!“, gab Goethe zurück und reichte Lewis das zweite Paar Zügel. „Sie werden es brauchen. Wir haben einen etwas längeren Ritt vor uns, und schnell sollte es auch gehen.“ Er setzte den Stiefel in den Steigbügel und schwang sich in den Sattel, dass sich sein weiter Mantel bauschte.
    Lewis tätschelte seinem Pferd vorsichtig die Flanke. Immerhin schien es ein friedliches Tier zu sein. „Wenn ich fragen darf, worum geht es hier eigentlich?“
    „Sie dürfen fragen“, antwortete Goethe mit kurzem Blick zu Lewis und sah dann in die Ferne, soweit dies in dieser Gasse möglich war. „Aber erst außerhalb der Stadt. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Er funkelte Lewis an und drückte den Hut, den er die ganze Zeit nicht abgenommen hatte, fester auf sein Haupt. „Los, steigen Sie auf!“
    Lewis saß auf, nicht weniger gekonnt als Goethe, und nickte. „Wie Sie befehlen, Herr Geheimrat.“
    Goethe versetzte sein Tier in leichten Schritt, und Lewis sah besorgt am Böttiger’schen Haus empor, als das Schlagen der Hufe auf dem Pflaster durch die Straße hallte. Es schien ihm, als müsse dieses Lärmen in der ganzen stillen Stadt hörbar sein, und er fragte sich, welche Stunde es wohl sein mochte. Kein Turmschlag, kein Nachtwächter war zu hören. Er trieb sein Pferd an und folgte Goethe. Als sie den nahen Kirchplatz erreichten, schloss er zu ihm auf. Gerade wollte er fragen, warum Goethe so zum Aufbruch gedrängt hatte, wo er jetzt doch geradezu betulich dahintrottete, als dieser ihm den Kopf zuwandte und knapp nickte. Im selben Moment gab Goethe seinem Pferd die Sporen und schoss mit Getöse in die nächste Gasse hinein. Lewis zögerte nur einen Lidschlag lang und setzte dann nach, wobei er seinen Hut festhielt. Was auch immer dies für ein Spiel sein mochte, er würde mitspielen.
    Zunächst gestaltete sich dies jedoch schwierig, denn der dahinpreschende Goethe

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