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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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genau wie ich?“
    „Das bin ich“, entgegnete Goethe und bot Krafft einen Stuhl an. Dann stellte er Lewis und ihn einander vor.
    Im Laufe des Gespräches trat zutage, dass Krafft gar nicht Krafft hieß und sowohl er als auch Goethe seine wahre Identität geheim hielten. Jahre zuvor hatte Goethe ihn als Agenten in die Stadtregierung eingeschleust, um den betrügerischen Filz der Finanzbeamten zu beseitigen und die schon längere Zeit aufgetretenen Unterschlagungen und Bestechungen aufzudecken. Goethe – als Leiter der Ilmenauer Steuerkommission – war es mit seiner Hilfe gelungen, den Steuereinnehmer Gruber zu überführen und bestrafen zu lassen. Danach hatte Goethe die Besteuerung im Amt Ilmenau umgestaltet und für alle Seiten gerechter gemacht.
    Lewis wunderte sich immer mehr. Eigentlich hatte er erwartet, in Weimar nur den Poeten Goethe zu treffen. Was er jedoch tatsächlich vorfand, übertraf alle Erwartungen. Große Ehrfurcht ergriff ihn, und gleichzeitig war er erfreut und dankbar, dass Goethe sich ihm gegenüber so offen und umgänglich zeigte. Fast mochte er auch die kleinen Eigenheiten verzeihen, die der Geheimrat oft genug an den Tag legte.
    Während sich Krafft und Goethe unterhielten und dann und wann auch Lewis ins Gespräch mit einbezogen, dachte der an den Abend vor Böttigers Haus zurück. Er war sich sicher über das, was er gehört hatte. Goethe hatte zwar widersprochen, doch Lewis mochte nicht recht daran glauben, dass ihm seine Wahrnehmung einen derartigen Streich gespielt haben sollte, sah aber auch keine einleuchtende Erklärung, warum Goethe ihn belügen sollte. Oder was dieser vor ihm geheim halten wollte. Dass der Geheimrat sich auf solches verstand, konnte er in diesen Momenten mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Ohren hören: Krafft war der lebende Beweis für die Spiele, die Goethe mit anderen zu spielen wusste. Lewis fragte sich, ob der unauffällige Mann, der sehr sympathisch und gewitzt wirkte, noch immer in Goethes Diensten stand und worin diese bestehen mochten. Er schien der bestmögliche Mensch für geheime Angelegenheiten zu sein, denn obwohl seine Züge einnehmend waren, wenn man mit ihm sprach, so schienen sie doch vor dem inneren Auge zu verblassen, sobald man den Blick längere Zeit abwendete. Lewis bezweifelte, ihn nach einigen Stunden überhaupt beschreiben zu können, und Krafft schien sich dessen voll bewusst zu sein, so wie er sich gab. Er lachte, trank fröhlich Wein mit Goethe und zeigte sich sehr interessiert an Lewis und dessen Ansichten und Plänen.
    Schließlich verschwand er so plötzlich, wie er aufgetaucht war, und verabschiedete sich in einer Art, von der Lewis nicht zu sagen vermochte, ob es ein Lebewohl oder ein Aufbald war.
    Goethe gab sich unergründlich, blickte in sein Glas und fand es leer. „Es geht nichts über ein unerwartetes Wiedersehen mit einem alten Vertrauten ...“ Er winkte dem Gastwirt. „Noch Wein! – Lewis, was ist mit Ihnen?“
    Lewis nickte und blickte immer noch zur Tür, durch die Krafft verschwunden war, als diese sich wieder öffnete und zwei andere Männer in den Schankraum traten. Sie trugen grobleinene Arbeitskleidung, die von dunklem Staub und Erde verunreinigt und nur oberflächlich gesäubert war.
    Sie gingen stracks auf Goethe zu, der aufstand und die Arme ausbreitete.
    „Schön, dass Sie kommen konnten, setzen Sie sich und trinken Sie mit uns!“
    Der kleinere, untersetztere der beiden nahm zuerst Platz und wischte sich mit einem großen Schnupftuch den Schweiß von der Halbglatze und der Nase, die kräftig über einem kurzen, dunklen Vollbart hervorsprang.
    „Bergfaktor Weihrach“, stellte Goethe vor, „und dies ist Ingenieur Muntzer, der all die Kunstgezeuge hat fertigen lassen, die die Schächte entwässern.“
    Der schlaksige Mann mit rotblondem Haar und spitzem Kinn schob umständlich seine langen Beine unter den Tisch.
    Der Wirt brachte den Wein für Goethe und Lewis und auf Wunsch der anderen Männer, die auch sogleich ihre Tabakspfeifen hervorholten, Bier.
    Die nächste Stunde, vielleicht waren es derer auch zwei, schwamm an Lewis vorbei, der den Wein zu spüren begann und dem der Rauch ebenfalls zusetzte. Als sie die Sonne verließen, tat die Hitze draußen ihr Übriges. Selbst die Fahrt im von Goethe gelenkten offenen Wagen nach Martinroda vermochte Lewis nicht wiederzubeleben, denn die beiden Bergleute gaben sich alle Mühe, ihn mit den Feinheiten ihres Berufes vertraut zu machen. Untermalt von

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