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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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andere Tür zu, die vom Skriptorium nach draußen in den Kreuzgang führte, und sagte im Hinausgehen zu Konrad: »Komm mich nachher besuchen, wenn du mit Bernhards Donnerworten fertig bist. Ich kann dir ein paar Dinge erzählen, die deine Neugierde befriedigen werden.«
    Nun war Konrad mit sich und seinem über das Pergament schabenden Federkiel allein. Er bemühte sich, seine Aufmerksamkeit ganz auf Bernhards Predigttext zu konzentrieren, doch das gelang ihm so schlecht, dass er sich zweimal verschrieb und die Fehler mühsam mit dem Radiermesser auskratzen musste.

W ER IST A BAELARD ?
    D as Abthaus stand etwas abseits vom eigentlichen Klostergebäude, nicht weit von den Pferdeställen entfernt, die schon länger nur ein einziges Tier beherbergten, nämlich Anselms schönen Hengst. Zaghaft klopfte Konrad an die dicke Holztür. Er hatte dieses Gebäude noch nie betreten.
    »Immer herein!«, rief Anselms tiefe, dröhnende Stimme von drinnen.
    Ein Teil von Konrad wäre am liebsten gleich wieder weggelaufen und hätte sich bei Matthäus in der Küche verkrochen. Aber zugleich verspürte er eine brennende Neugierde auf das, was er von Anselm hoffentlich erfahren würde – bei fremd klingenden Namen wie Abaelard, Paris oder London wurde er ganz unruhig und aufgeregt. Ich weiß so wenig, dachte er. Manchmal kommt es mir vor, als wäre ich noch gar nicht wirklich geboren.
    Als er die knarzende Tür öffnete, schlug ihm muffig-feuchte Luft entgegen, der Geruch eines lange ungenutzt herumstehenden, bereits verfallenden Hauses. Anselm saß am Kamin, dessen Feuer das Zimmer nur spärlich erhellte. Der Mönchsritter wirkte tief in Gedanken versunken und schien keinerlei Notiz von Konrad zu nehmen, der unsicher dicht bei der Tür stehen blieb.
    Die Größe des Raumes bereitete Konrad Unbehagen. Solche Gemächer schienen ihm viel zu groß für einfache Mönche. Für den Erzbischof mochten sie angemessen sein, falls dieser eines Tages doch noch zu Besuch kommen sollte. Kein Wunder, dass Abt Balduin hier nicht hatte wohnen wollen. Der Fußboden bestand nicht einfach aus gestampftem Lehm wie in den Klosterzellen, sondern war mit Steinfliesen ausgelegt, auf denen zwei Mäuse herumhuschten.
    »Steh nicht herum wie ein geprügelter Küchensklave«, brummte Anselm, ohne den Kopf zu heben. »Setz dich her zu mir, damit wir auf gleicher Höhe, Auge in Auge, miteinander reden können, wie es sich für Männer gehört.«
    Zögernd kam Konrad näher und setzte sich auf einen Schemel, der Anselm direkt gegenüberstand. Obwohl es schon Mitte März war, wollte der Winter in diesem Jahr einfach nicht weichen, daher war die Wärme des Kaminfeuers sehr angenehm. Wollte Anselm wirklich von Gleich zu Gleich mit ihm reden? Das erschien Konrad undenkbar. Wahrscheinlich war das nur wieder einer seiner sonderbaren Witze, mit denen er sich über Konrad und alle anderen im Kloster lustig machte.
    »Du bist nicht dafür geschaffen, dich hier zu vergraben«, sagte Anselm unvermittelt, »dafür habe ich einen Riecher, Konrad. Du bist viel zu aufgeweckt, intelligent und, vor allem, neugierig, um ein Leben hinter Klostermauern zu führen, fernab von der Welt.«
    Aufgeweckt? Intelligent? Da schien Anselm der Einzige zu sein, der solche Qualitäten bei Konrad entdeckt hatte. Meinte der Mönchsritter das wirklich ernst? Und waren solche Eigenschaften für einen Mönch überhaupt erstrebenswert? Nach Abt Balduins Ansicht ganz sicher nicht. War das Leben hinter Klostermauern in dieser sündigen Welt nicht ohnehin der einzig richtige Weg? Ich verstehe nicht, was Anselm von mir will, dachte Konrad. »Welches andere Leben könnte es denn für mich geben?«, fragte er sich und merkte erst hinterher, dass er die Worte laut ausgesprochen hatte.
    »Wenn du es richtig anfängst«, sagte Anselm, »kannst du in dieser Welt, die Leute wie Balduin oder Bernhard von Clairvaux so geringschätzen, viele Leben nacheinander führen und wirst dich niemals langweilen.«
    Konrad blickte durch die offenen Fensterläden nach Westen, wo über dem Rheintal kalter Wind heranfegte und die Flammen im Kamin knistern ließ. Vom Abthaus aus konnte man tief unten den Fluss in der Sonne schimmern sehen. Die Welt, von der Anselm sprach, schien fast unsichtbar, verbarg sich hinter schimmerndem Dunst. Viele Leben? Konrad wusste nicht, worauf Anselm hinauswollte. Natürlich wusste er, dass es unterschiedliche Stände und Berufe gab. Aber verschiedene Leben? Ein Bauer wurde als Bauer geboren und

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