Der Mörder mit dem grünen Daumen: Ein Kriminalroman mit vielen Gartentipps
bereit, dem verlorenen Bruder zu verzeihen. Stell dir das mal
vor: Der Erbschleicher ist bereit, dem Gehörnten zu verzeihen!
Der eigentliche Hammer
kommt allerdings erst noch. Es ist der Anlass, aus dem Herrmann zur
Feder griff. Ihm sei nämlich der ganz große Wurf
gelungen, an dem er Albert teilhaben lassen wolle. Schließlich
habe dieser dazu beigetragen. Du erinnerst dich an die afrikanischen
Rosen, die er deinem Vater mitgebracht hatte? Nun, Herrmann hatte
anscheinend eine sensationelle Entdeckung gemacht. Er meinte, in
einer der weißen Blüten einen Blaustich ausgemacht zu
haben und daraufhin versuchte er sich an der Züchtung einer
blauen Rose. Und weißt du was: Er hat es tatsächlich
geschafft, nach 22 Jahren.“
„ Er hat eine
blaue Rose gezüchtet“, fragte Elfi ungläubig.
„ Ja, so schrieb
er in dem Brief. Die Frühlingsblüte habe es erwiesen. Die
ganze Saison über habe er den Schatz geheimgehalten und
studiert. Er wisse zwar nicht, von welchen Pflanzen genau die blaue
Rose abstammt, aber durch Stecklinge könne er sie vermehren.
Kannst du dir vorstellen, was das bedeutet, Elfi? Weißt du,
wie viele Züchter Jahrhunderte lang von einer blauen Rose
geträumt haben? Eine solche Pflanze gibt es noch nicht. Stell
dir vor, was für ein Vermögen sich damit verdienen ließe!“
„ Millionen“,
flüsterte Elfi andächtig.
„ Aber locker“,
bestätigte Christoph. „Nicht nur die Mainzer Fastnachter
wären entzückt."
„ Nicht die
Schätze sind es, die ein so unaussprechliches Verlangen in mir
geweckt haben“, schaltete
sich Tom mit einem Zitat erstmals in das Gespräch ein, „ fern
ab liegt mir alle Habsucht: aber die blaue Blume sehn’ ich
mich zu erblicken.“
„ Drehst du schon
durch“, fragte Christoph.
„ Ach, das ist
von dem Dichter Novalis. Mir fiel gerade ein Seminar über die
Romantik ein, das ich an der Uni besucht habe. Für ein Referat
habe ich diese Passage auswendig gelernt. Die blaue Blume war ein
romantisches Symbol für das Traumhafte, Unerreichbare und doch
stets Ersehnte.“
„ Ihr haltet euch
wohl alle für was Besseres“, schimpfte Christoph.
„Herrmanns Brief jedenfalls brachte das Fass zum Überlaufen.
Nicht etwa durch einen persönlichen Angriff, nein, sondern
durch seine unerträgliche, überhebliche Gönnerhaftigkeit.
Er hatte alles abgesahnt und würde mithilfe einer Pflanze, die
mein Vater ihm gebracht hatte, jetzt auch noch zum Multimillionär
werden. Für den ungeliebten Bruder würden bestenfalls ein
paar Tausender abfallen und auch nur dann, wenn er lieb darum
bettelte, wieder in den Schoß der Familie aufgenommen zu
werden.
Ich kochte innerlich,
als ich das las. Glaubte der etwa, wir hätten keinerlei Stolz,
weil wir arm sind? Ich würde lieber in der Hölle schmoren,
als vor diesem Schwein zu Kreuze zu kriechen.
Mein erster Impuls
war, ihn anzurufen und ihm den Marsch zu blasen. Doch ich erreichte
bloß den Anrufbeantworter. Da setzte ich mich ohne zu zögern
ins Auto und fuhr die rund 400 Kilometer in die Pfalz. Es war
bereits früher Abend, als ich ankam. Kunden und Mitarbeiter
hatten die Baumschule verlassen, Herrmann wollte gerade die Tore
schließen.
Wie ich erwartet
hatte, erkannte er mich zunächst gar nicht. Na ja, der schwarze
Bart machte es ihm auch nicht leicht. Es kam sofort zum Streit.
Während ich auf ihn einredete, zog er sich ins Lager zurück.
Ich folgte ihm.
Erst verteidigte er
sich noch. Bald indes ging er zum Gegenangriff über und
beleidigte mich und meinen Vater. Großvater habe nie daran
gedacht, den Betrieb an Albert zu übergeben. Walter sei
überzeugt gewesen, dass dieser ihn nur zugrunde richten würde.
Er, Herrmann, habe diese Einschätzung geteilt, und als ich ihm
vom Unglück seines Bruders erzählte, nahm er das sogar als
Bestätigung. ‚Selbst schuld’, meinte er sinngemäß.
Wie habe er bloß auf die Idee kommen können, Albert als
ersten in die Entdeckung der blauen Rose einzuweihen?
‚ Wo ist die
Rose’, fragte ich ihn. Da lachte er mich aus und orakelte:
‚Dieses Geheimnis wird Citizen Landgraf eher mit ins Grab
nehmen, als es dir mitzuteilen. Scher’ dich weg!’
Ich schrie ihn an,
dass er ein Dreckskerl sei und sich in Acht nehmen solle. Daraufhin
packte er mich, um mich rauszuwerfen. Voller Wut griff ich nach
einer Gartenhacke, die in einem Regal lag, und schlug ihm den
Schädel ein.“
46
„ Jetzt ist es
raus“, dachte Tom.
„ Du hast…“,
setzte Elfi mit brüchiger Stimme an.
„ Ja,
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