Der Moloch: Roman (German Edition)
finster.
» Wenn er so scharf darauf ist, diesen Krieg zu beenden, warum tötet er dann den Kaiser nicht selbst und übernimmt das Kommando? Wenn er die Eintausend hinter sich hat, ist er unangreifbar.«
Ein sonderbarer Ausdruck huschte über Saroyans Gesicht. Indaro erkannte, dass es sich um Ekel handelte. Fühlte sich diese kaltschnäuzige Frau etwa von dem Ansinnen beleidigt, dass Vincerus seinen Kaiser töten sollte?
Maron rieb sich das Gesicht mit den Händen. » Ihr versteht die Beziehung zwischen diesen Leuten nicht. Sie sind nicht wie wir, Fell. Sie kennen einander seit Jahrhunderten, vielleicht auch länger. Sie haben zusammen gekämpft, gegeneinander gekämpft, sich hintergangen und gemeinsam Ränke geschmiedet, und das über Generationen hinweg. Marcellus ist jünger als Araeon, und für ihn ist der Kaiser Vater, Großvater, Lehrer, Rivale und sein Kaiser. Araeon ist der Letzte seiner Art. Wenn es ihn nicht mehr gibt, sind Marcellus und einige wenige andere allein in einer Welt von Eintagsfliegen, kurzlebigen Kreaturen, die nichts erreichen, bevor sie sterben. Dennoch glaube ich, dass Marcellus den Krieg beenden wird. Darauf beruht dieser Plan. Er weiß, dass der Krieg die Cité und die Länder ringsherum zerstört. Araeon kümmert sich nicht mehr darum, wie viele sterben, solange er gewinnen kann. Aber er begreift nicht mehr, dass niemand diesen Krieg gewinnen wird. Marcellus besitzt mehr Klarheit. Ich glaube, er wird ein guter Kaiser werden, falls so etwas überhaupt möglich ist.« Er machte eine Pause. » Unser aller Zukunft hängt von diesem Glauben ab«, setzte er dann noch hinzu.
Er rief die Wachen und ließ Wein und Essen bringen. » Wir haben heute noch viel mehr zu besprechen. In zehn Tagen werdet ihr zum Paradies-Tor reiten. Von dort aus werden Indaro, Elija und Gil aufbrechen und sich den Schiffen mit den Invasionstruppen in Adrastto anschließen. Fell wird in die Cité reiten und sich mit Shuskara zusammentun. Es ist im Augenblick sehr schwer, in die Stadt zu kommen, noch schwerer seit der Meuterei im Kleinen Opernhaus. Es erfordert besondere Papiere, die uns Saroyan liefern wird.«
Die Lord Leutnant stand plötzlich auf und warf Maron einen ungeduldigen Blick zu. » Saroyan muss zum Roten Palast zurückkehren«, sagte er ihnen. » Sie hat einen langen Ritt vor sich, und die Sonne geht schon unter. Wir werden sie nicht mehr wiedersehen.«
Die letzten Worte schienen schicksalhaft zu sein. Als die Frau sich umdrehte, um zu gehen, und dabei ihre Müdigkeit wie einen Umhang mit sich trug, stellte Indaro ihr die Frage, die sie beschäftigt hatte. » Warum verabscheust du mich?«
Die Lord Leutnant ging um den Tisch herum und sah ihr in die Augen. Indaro erkannte die aufrichtige Abneigung darin. » Weil ich dir nicht vertraue, Indaro Kerr Guillaume«, sagte sie kalt. » Ich kenne deinen Vater. Er liebt die Cité trotz all ihrer Fehler, und er würde seinen Kaiser niemals verraten, trotz all seiner Fehler. Ich glaube, dass du in deinem tiefsten Inneren genauso bist und uns deshalb am Ende alle verraten wirst.«
Dann schritt sie steif aus der Kammer. Indaro blieb schockiert von ihren Worten und der Intensität ihrer Verachtung zurück. Fell legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie brannte wie Feuer. Sie sah ihn an.
» Achte nicht auf sie«, sagte er freundlich. » Sie kennt dich nicht. Und jetzt komm mit. Ich habe ernste Nachrichten für dich.«
Teil fünf – DIE LORDS DES BLUTES
28
In einem abgelegenen Flügel des Roten Palastes, weit weg vom Lärm der Öffentlichkeit und den intensiven Gerüchen von Pferden und Kavalleristen befand sich eine Zimmerflucht, die sich um einen hübschen, mit Blumen gefüllten Hof drängte. In den warmen Herbsttagen waren alle Fenster weit geöffnet, um den Duft der spätblühenden Rosen hereinzulassen, die weiß gestrichene Wände hinaufkletterten und sich wohlriechend bis zu den Fensterflügeln hinaufwanden.
Eine kleine, schlanke Frau, die blonden Locken hochgesteckt, streifte eine seidene Robe ab und stieg in eine emaillierte Wanne. Anmutig setzte sie sich nieder und glitt mit einem Seufzer in das mit Blüten bestreute Wasser.
» Au!«, rief sie, richtete sich hastig wieder auf und tastete in dem Badewasser herum.
» Was hast du, Mylady?«, fragte ihre neue Kammerzofe, die besorgt neben die Wanne trat.
Die Frau schmollte. » Hast du etwa mit diesen Rosenblüten auch Dornen ins Wasser geworfen?«, fragte sie klagend und zeigte dem Mädchen einen
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