Der Moloch: Roman (German Edition)
winzigen Zweig, den sie in dem parfümierten Wasser gefunden hatte.
Das Mädchen nahm ihr den Zweig ab. » Es tut mir leid, Mylady«, sagte sie. Ihr Gesicht verzog sich vor Sorge.
Das Gesicht der Frau jedoch hellte sich auf, und sie lachte leise. » Sei keine Närrin, Amita. Ich mache nur Spaß. Du bist zwar noch nicht lange hier, aber du wirst feststellen, dass ich eine recht umgängliche Herrin bin, solange du vernünftig bist. Jetzt seife mir bitte den Rücken ein. Nimm die Flasche da, in der die Lavendelblüte schwimmt.«
Amita goss ein bisschen Seifenwasser auf ein weiches Baumwolltuch und wusch der Frau behutsam den Rücken. Angefangen von ihrem Nacken, an dem winzige Locken den Bändern entkommen waren, bis hin zum Spalt ihres Pos. Es war ein perfekter Rücken, so blass wie Mondstein und so rein wie das Mondlicht selbst. Anschließend lehnte sich die Frau in dem Wasser zurück und schloss die Augen. Amita nutzte die Chance, das Gesicht ihrer Herrin kritisch zu betrachten. Das Licht des Nachmittags, das direkt ins Fenster fiel, verriet grausam ihr Alter. Sie hatte Krähenfüße um die Augenwinkel, und die Haut unter ihrem Kinn war bereits ein bisschen schlaff. Lady Petalina benahm sich zwar wie ein Mädchen von sechzehn, aber sie hatte schon mehr als vierzig Sommer gesehen, vermutete Amita.
Erneut seufzte Petalina und wischte sich nasse Blüten von den Schenkeln. » Ich glaube, ich werde heute Nachmittag das blau- und cremefarbene Baumwollkleid tragen«, sagte sie nachdenklich.
Amita wusste nicht genau, was sie tun sollte. Sollte sie das Kleid jetzt holen? Das war nicht so einfach. In den Schränken hingen Hunderte von Kleidern, und Amita hatte keine Ahnung, welches gemeint war. Oder sollte sie ihrer Mistress im Bad weiter zur Hand gehen und das Kleid später holen? Sie überlegte gerade, ob sie fragen sollte, als sie bemerkte, dass Petalina die großen blauen Augen geöffnet hatte und sie beobachtete.
» Wenn ich gebadet habe, wirst du mich abtrocknen und mich pudern«, erklärte sie. » Dann werde ich eine saubere seidene Robe anziehen und mich für ein kurzes Schläfchen niederlegen. In der Zeit kannst du das Kleid holen. Ruf die Dienstmägde, damit sie die Wanne leeren und sie wegbringen und dir helfen, diesen Raum zu säubern und die Handtücher zur Wäsche zu bringen.« Dann schloss sie ihre Augen erneut genießerisch.
Man hatte Amita gesagt, dass Petalina früher selbst einmal ein Dienstmädchen gewesen war. Bis jetzt war die Frau freundlich zu ihr gewesen, aber sie neigte angeblich zu Jähzorn. Davon hatte Amita jedoch noch nichts bemerkt, aber andererseits war sie auch nicht einmal einen Tag in ihren Diensten.
» Frisch mein Gedächtnis auf«, bat Petalina ohne die Augen zu öffnen, » von woher bist du zu mir gekommen?«
» Vom Haus General Kerrs, Mylady. Ich habe seiner Enkelin gedient.«
» Ah ja, das arme Kind, das an einer Lungenentzündung gestorben ist.«
» Ja, Mylady. Es war sehr traurig.«
Petalina öffnete die Augen wieder und sah Amita an. Amita erwiderte den Blick unschuldig, sah dann zu Boden und hoffte, dass ihre angebliche Trauer für ein Kind, dass sie nie kennengelernt hatte, ihre Lügen verbergen würde. Sie hoffte, dass es ihre Mängel als Kammerzofe kaschieren würde, wenn sie so tat, als hätte sie einem vierzehnjährigen Mädchen aufgewartet.
» Die Frau des Generals ist eine große Schönheit«, bemerkte Petalina. » Eine auserlesene Schönheit. Gibt es noch andere Enkel?«
» Sie haben fünf Söhne, glaube ich«, erwiderte Amita. » Die meisten von ihnen sind erwachsen. Sie haben alle Kinder. Ihre Ladyschaft …«
» Ja?« Der Blick der blauen Augen war durchdringend.
» Sie … hat sehr schöne Augen, Mylady.« In Wahrheit war die Frau des Generals eine pferdegesichtige Frau mit einer von Pocken entstellten Narbenhaut und einer Nase wie ein Stück Marmor. Sie hatte loyal Söhne für eine Familie produziert, die sich im Allgemeinen eher auf Quantität denn auf Qualität verstand. Jedenfalls hatte man Amita das erzählt.
Petalina betrachtete ihre Kammerzofe, dann zuckte ihr Mundwinkel, und sie lachte leise. Zu Amitas Überraschung ließ sie sich dann langsam unter das Wasser sinken, bis nur noch der Knoten ihrer Locken zu sehen war. Dann ertönte ein Gurgeln, eine Explosion von Luftblasen, und ihr Kopf tauchte tropfend wieder auf. Sie lächelte ihre Zofe belustigt an.
» Ich glaube, wir werden sehr gut miteinander auskommen, Amita«, sagte sie.
Nachdem sie das
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