Der Moloch: Roman (German Edition)
als er aufgeben wollte, spürte er etwas Hartes unter seinen suchenden Fingerspitzen. Er packte es, drehte es herum und tastete die Konturen ab. Es war aus Metall und so dünn wie eine Nadel, aber an einem Ende platter und hatte in etwa die Länge seines Daumens. Es fühlte sich beängstigend zerbrechlich an, aber mehr hatte er nicht. Er schleppte sich wieder zur Tür zurück und begann, an dem Holz herumzupicken.
Während er arbeitete, hoffte er inständig, dass er nicht in den Verliesen von Gath war, wie er anfangs geglaubt hatte. Diese schrecklichen Zellen waren für Gefangene gedacht, die am Leben erhalten werden sollten, damit man sie folterte oder irgendwelche anderen Gräueltaten an ihnen vollzog, die der Kaiser wollte. Wenn sie am Leben bleiben sollten, mussten sie zu essen bekommen, ganz gleich wie wenig es auch sein mochte. Die Türen waren alle am unteren Rand mit Metall verstärkt und hatten Gitter, die man öffnen konnte, damit man Näpfe und Teller mit Speisen hineinschieben und herausnehmen konnte.
Diese Kammer jedoch, die leicht hundert Männer hätte aufnehmen können, war entweder ein Kerker, in den Gefangene gesteckt und einfach vergessen wurden, oder eine Übergangszelle. Er hatte gehört, dass die Hauptverliese des Palastes unter Wasser lagen, aber es gab noch andere Gefängnisse unter dem Roten Palast. Er kannte sie nicht alle. Er gestattete sich kurz eine glückliche Fantasie, in der Fells Invasionsarmee diese Zelle finden und ihn befreien würde. Dann könnte er sich ihnen anschließen, durch die Abwassertunnel hinaufstürmen, in den Fried platzen, den Kaiser gefangen nehmen und ihn dem Tode überantworten, während er flehte und weinte.
Als er im Stockfinsteren dasaß und mit einer winzigen Nadel an dieser soliden Holztür herumkratzte, verließ ihn erneut der Mut, und eine Weile saß er einfach nur da, hoffnungslos und elend. Dann riss er sich zusammen und arbeitete weiter.
Er hatte in dieser Zelle nichts gehört, weder ein entferntes Weinen noch Schreie, auch keine gebrüllten Befehle oder geflüsterten Gespräche. Er hatte nichts gehört außer seinem eigenen rasselnden Atem und dem bedrohlichen Gluckern aus dem Rohr in der Ecke. Und das leise Kratzen von Nagern. Deshalb hörte er das Stampfen von Stiefeln aus der Ferne sofort und hielt abwartend inne. Die Schritte wurden lauter, und er schleppte sich hastig von der Tür weg.
Blendendes Licht strömte in seine Zelle, und er hob schützend einen Arm vor die Augen, während er sich zusammenkrümmte, weil er brutale Schläge erwartete. Stattdessen hörte er ein leises Plumpsen, als etwas auf den Boden geworfen wurde, dann schlug die Tür zu, und die Schritte entfernten sich wieder. Bartellus tastete über den Boden und fand ein weiches Tuch mit etwas Hartem darin … Zwieback. Er schob ihn sich hastig in sein Hemd, bevor die Ratten ihn erwischen konnten. Daneben lag ein Wasserschlauch. Er trank dankbar, weil er jetzt wusste, dass er am Leben erhalten wurde. Aber wofür?
Als er sich wieder an die Arbeit machte, geschah das mit einem neuen Gefühl von Dringlichkeit.
Der Mittag war bereits vorbei. Evan war in die Bäckerei hinuntergegangen und kam mit einem frischen Laib Brot zurück. Emly und er setzten sich auf ihre Betten und aßen das warme, duftende Brot, während er ihr eine seiner Geschichten von einer Schlacht erzählte, in der er mit ihrem Vater gekämpft hatte. Allerdings war Bartellus damals General gewesen und er nur ein einfacher Soldat. Es war eine Geschichte voller Heldentaten und Humor, und Emly sog jedes Wort in sich auf, mit aufgerissenen Augen, die Lippen leicht geöffnet und in Erwartung des nächsten Abenteuers. Ihr war klar, dass seine Geschichten teilweise, vielleicht sogar ganz, erfunden waren, aber sie liebte es, ihn reden zu höre n, und sie wusste, dass er es liebte, wenn sie sich so amüsierte.
Er lachte schallend, als er seine Geschichte beendete, und sie lachte ebenfalls entzückt, obwohl ihr die Pointe entgangen war. Dann lehnte er sich an die Wand, pickte die letzten Krümel des Brotes von seinem Wams und schob sie sich in den Mund.
» Woher kommst du, Evan?«, erkundigte sie sich. Sie wollte unbedingt diese vertrauliche Atmosphäre bewahren. Aber seine gute Laune verschwand wie Wasser in einem Ausguss, und er kniff die Augen zusammen. Sie beobachtete ihn und sah, wie er sich wieder entspannte. Vermutlich war es nur ein Reflex, dass er bei solchen Fragen argwöhnisch reagierte.
» Aus einem Land weit im
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