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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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Feinden vom Rücken eines Pferdes aus gestellt, sich mit einem Schrei von oben auf sie gestürzt, durch eine Rüstung geschützt und einen sich bewegenden Berg aus Fleisch und Knochen unter sich. Verstohlenheit war ihm fremd, und zwar in allen Bereichen seines Lebens. Die tiefe Stille um ihn herum bedrückte ihn mehr als die Dunkelheit und die Furcht, die in der Bastion des Kaisers in der Luft lag.
    Die beiden Wachposten an den Pforten des Frieds hatten kein Problem darstellt. Sie hatten gehorsam Haltung angenommen und starr geradeaus geblickt, als der neue Kommandeur der Eintausend vor ihnen aufgetaucht war. Er hatte sich zwischen sie gestellt und sie liebenswürdig begrüßt. Mit zwei raschen Stößen seines Langmessers hatte er dem einen die Kehle durchgeschnitten und war dann zu dem anderen herumgewirbelt, der sein Schwert nur halb aus der Scheide ziehen konnte, bevor Riis ihm das Messer ins Auge bohrte. So einfach, dachte er. Sie waren schon zu lange auf ihrem Posten und zu Tode gelangweilt. Wann waren sie denn schon einmal hier im Herzen des Palastes angegriffen worden? Noch nie.
    Er hatte kurz überlegt, ob es sich lohnte, die Leichen zu beseitigen. Keine Wachen an der Tür würden ebenso schnell Alarm auslösen wie zwei Tote. Am Ende jedoch hatte er sie zu einer dunklen Stelle unter einer nahe gelegenen Treppe gezogen – es mochte ihm vielleicht ein paar Minuten zusätzliche Zeit verschaffen.
    Jetzt eilte er durch unbekannte Korridore und erwartete, dass jeden Moment Alarm geschlagen wurde. Er hatte keine Ahnung, wo sich der Kaiser aufhielt oder wie groß der Fried war oder ob überhaupt jemand anders hier lebte.
    Wenn ich der Kaiser wäre, wo würde ich mich aufhalten?
    Natürlich oben. Kein Kaiser würde in den Tiefen des Palastes leben, in der Nähe der Kanalisation und der Abwasserkanäle und des steigenden Flutwassers. Also stieg Riis jedes Mal, wenn sich ihm eine Möglichkeit dazu bot, weiter nach oben. Allerdings bot sich ihm nur selten eine Möglichkeit. Die Wege im Fried schienen ständig hinabzuführen, die Gänge fielen steil ab, führten in Sackgassen und zu noch dunkleren Treppen, die in der Tiefe verschwanden. Nach etwa einer Stunde vermutete er, dass er sich tiefer befand als am Anfang seiner Expedition.
    Er glitt durch eine unbewachte Flügeltür und gelangte in einen großen, leeren Raum, der zwar von vielen Fackeln erhellt wurde, dennoch aber kalt und feucht war. Es war ein runder Raum, sehr hoch und sehr tief. Eine breite Wendeltreppe führte an der Wand entlang und reichte bis zum fernen Boden hinab. Er trat auf den Treppenabsatz, blickte hinab und stellte fest, dass der einzige Ausgang aus diesem Raum sich tief unter ihm befand. Ein frostiger Gifthauch schien über diesen fernen Boden zu wogen. Er schüttelte den Kopf. Er hatte nicht vor, dort hinunterzusteigen. Er verließ rasch den Raum und ging den Weg zurück, den er gekommen war.
    Eigentlich hatte er damit gerechnet, immer wieder Soldaten und Dienern aus dem Weg gehen zu müssen wie zu der Zeit, als er Amita auf ihren nächtlichen Exkursionen gefolgt war. Aber im Fried hielt sich niemand auf, und das Einzige, was er hörte, war das Hämmern seines Verräterherzens und das leise Seufzen seines Atems in der stillen Luft. Er blieb häufig stehen und lauschte nach einer Bewegung. Nach einer Weile erkannte er, dass er hoffte, überhaupt irgendwelche Anzeichen von Leben zu hören.
    Er befand sich in einem schmalen, feuchten Gang, der nach verfaultem Fleisch und abgestandenem Wasser stank. Das hier ist ein Ort der Toten, dachte er und merkte, wie er Angst bekam. Er bekämpfte den Drang zu flüchten und zückte sein Schwert. Das leise Schaben des Metalls munterte ihn ein wenig auf ebenso wie das Gefühl des ledernen Griffs in seiner Hand.
    Dann hörte er ein Geräusch, ein Gleiten; es war ein leises, zielstrebiges Geräusch. Es kam aus dem Gang, dort, wo sich dunkle Stellen zwischen den Lichtkreisen der Fackeln bildeten.
    Riis bemerkte, dass er den Atem anhielt. Er atmete leise aus und ging mit gezücktem Schwert weiter.
    Er konnte eine Gestalt in der Dunkelheit ausmachen. Sie rührte sich nicht. Dann bemerkte er erleichtert, dass es sich um einen Gulon handelte. Er holte tief Luft und spürte, wie der Druck um seine Brust nachließ. Nur ein Gulon. Er stand ihm im Weg. Er hatte gelegentlich solche Tiere in den Straßen der Cité gesehen. Allerdings war der hier ziemlich groß, viel größer als alle anderen, die er je gesehen hatte. Seine

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