Der Moloch: Roman (German Edition)
erreichen«, sagte er und sah sich um, als wäre das Gebäude schon in Sichtweite. » Sie werden im Palast sein und ab Mittag Dienst haben. Wir müssen dort eintreffen, bevor sie eingeteilt werden.«
Emly starrte ihn verblüfft an. » Wir werden die Kaserne nie finden«, sagte sie. Mehr fiel ihr nicht ein.
» Wir müssen es versuchen«, knurrte er.
» Wir müssen vor allen Dingen entkommen«, erklärte sie drängend. » Wir müssen von hier weg, uns verstecken!« Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass er keine Armee anführen konnte, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte. Sie wollte ihm sagen, dass sie ihn abschlachten und ihn für seine Anmaßung umbringen würden. » Wir müssen einen Ausgang finden«, sagte sie einfach nur, » und uns dann verstecken, bis es dunkel ist. Dann können wir vielleicht …«
» Wohin können wir gehen, kleiner Soldat?«, fragte er sie. Seine Stimme klang hart, und erneut sah sie in seinem Gesicht die Spur eines Mannes, der Krieger in eine Schlacht führte. » Was auch immer heute geschieht, ich werde das Ende nicht erleben. Das weiß ich, ganz tief in mir. Falls Fell Araeon tötet, dann wird das Chaos die Cité regieren. Es wird einen starken Mann erfordern die Führung zu übernehmen, die Armeen dazu zu bringen, zu gehorchen. Es könnte Marcellus sein. Es könnte auch Boaz oder einer der anderen Generäle sein. Es könnte sogar Fell sein, falls er überlebt. Aber während das alles geschieht, werde ich mich nicht verkriechen. Du kannst hierbleiben, vielleicht ist es das Sicherste für dich. Du bist sehr geschickt darin, dich im Dunklen zu verstecken.« Es klang fast wie eine Beleidigung. » Aber ich werde in den Fried gehen und mein Schicksal in die Hände der Götter legen.«
» Wohl gesprochen, mein Freund«, sagte jemand.
Emly trat ängstlich zurück, als ein junger Soldat, ein großer, muskulöser Mann, der mit einem scharfen Schwert bewaffnet war, aus einem dunklen Tunnel auf sie zutrat. Der Mann, der gesprochen hatte, hinkte hinter ihm her und stützte sich auf einen Gehstock. Er war alt, hatte eine wettergegerbte Haut, einen großen weißen Schnauzbart und tief in den Höhlen liegende Augen.
Bartellus seufzte. » Ich habe nicht erwartet, dich hier zu sehen, Dol Salida. Willst du mich auch töten?«
» Das habe ich noch nicht entschieden«, gab der Mann zurück. » Obwohl du dir für den harmlosen Vater einer Glasmacherin ziemlich viele Feinde gemacht zu haben scheinst. Das ist deine Tochter Emly? Warum ist sie hier?«
» Sie ist ein tapferes Kind und hat versucht, mich vor den Qualen und der Folter in den Verliesen zu retten.«
» In der Tat sehr tapfer«, antwortete Dol Salida anerkennend.
» Was hast du vor, Dol?«
» Was hast du vor, Shuskara?«
» Wie lange weißt du schon, wer ich bin?«
» Du hast mich wirklich gut getäuscht, mein alter Freund. Ich gebe zu, dass ich gedemütigt bin, denn Informationen sind mein Geschäft. Ich hatte keine Ahnung, dass ich jede Woche mit einem Verräter der Cité Urquat gespielt habe.«
» Verrat ist eine Frage der Perspektive.«
Dol Salida schüttelte den Kopf. » Nein, alter Freund, das ist es nicht. Ein Mann, der sich gegen den Kaiser verschwört, ist ein Verräter. Das ist eigentlich ganz einfach.«
» Die Cité stirbt«, erwiderte der General, » weil das Böse die Macht hat. Meine erste Loyalität gilt der Cité, nicht dem Unsterblichen.«
Dol Salida humpelte ein Stück vor. » Bist du sicher«, fragte er ziemlich freundlich, » dass du nicht von dem Wunsch nach Rache geblendet wirst? Ich kann das verstehen. Dir wurde vom Unsterblichen übel mitgespielt. Aber er ist immer noch der Kaiser, und man muss ihm gehorchen. Du bist ein Verräter, und alle Verräter müssen sterben.« Er gab dem jungen Soldaten ein Zeichen, der daraufhin das Schwert hob.
» Bitte tu meiner Tochter nichts zuleide«, sagte Bartellus verzweifelt.
Dol nickte. » Ich werde dafür sorgen, dass ihr nichts geschieht, General. Das hier ist nicht ihre Schlacht.«
» Nein!«, hauchte Emly. Sie bereitete sich darauf vor, vor das Schwert zu springen. Bartellus’ Leben war ihr in diesem Augenblick wichtiger als ihr eigenes, denn sie konnte sich nicht vorstellen, ohne ihn zu leben.
Doch dann sah sie erstaunt, wie der junge Krieger die Waffe umdrehte und sie mit dem Griff voran dem alten General hinhielt, während er vor ihm auf den schlammigen Boden auf ein Knie sank.
» Lord Shuskara«, sagte er. » Ich biete euch meine Klinge und mein
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