Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
Vom Netzwerk:
und sie war dem Mann dankbar, dass er ihn beendet hatte. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, warum sie überhaupt gekämpft hatten. Wahrscheinlich wegen irgendetwas Sinnlosem, dachte sie und streifte die Toten und Sterbenden mit einem Blick.
    » Also ist dein Vater für dieses sinnlose Unterfangen verantwortlich«, sagte Marcellus. » Ich hätte nicht gedacht, dass er noch den Mumm dazu hat.«
    Indaro runzelte die Stirn. » Nein«, sagte sie. Er hat das alles missverstanden, dachte sie. Sie wollte ihn unbedingt verbessern, wollte ihm gerade von Maron und Gil Rayado erzählen, von Fell und General Shuskara, als ein Soldat in den Raum gerannt kam.
    » Herr!«
    Marcellus drehte sich um. Indaro blinzelte und rieb sich die Augen. Sie hob ihr Schwert, als wäre sie aus einem Traum erwacht, bewegte sich aber langsam, wie in Trance.
    » Der Unsterbliche!«, schrie der Soldat. » Er wird angegriffen. In der Halle der Kaiser!«
    Ohne zu zögern, schritt der Lord zur Tür.
    » Marcellus«, hielt ihn der Befehlshaber der Leute auf. » Willst du, dass diese drei verhört werden?«
    Er blieb kurz stehen. » Nein«, sagte er dann. » Lass sie einfach laufen.«
    Damit verließ Marcellus den Raum, gefolgt von seinen Soldaten. Indaro sah zu, wie die Tür sich schloss, und hörte, wie der Riegel mit einem Klicken vorgeschoben wurde. In der Stille, die diesem Geräusch folgte, blickte sie Garret verblüfft an.

Teil sieben – DER GULON-SCHLEIER

42
    Die letzte Armee der Petrassi lagerte in den Ausläufern des großen Gebirgsmassivs, das man die Mauer der Götter nannte, südlich der Cité. Hätten ihre Kommandeure die Absicht gehabt, die zwanzigtausend Bewaffneten zu verstecken, hätten sie das leicht bewerkstelligen können. Denn nachdem sie ein halbes Jahr lang an diesem Ort ausgeharrt hatten, den größten Teil davon in strömendem Regen, hatte sich die Armee in die Landschaft eingepasst. Das Grau und Braun der Uniformen, ihrer Zelte, der Pferde und der Ausrüstung waren kaum mehr von Erde, Unterholz und Felsen zu unterscheiden. Einst waren diese Hügel von Eichen- und Buchenwäldern bewachsen gewesen, doch die unersättliche Gier der Cité hatte alles Holz verzehrt und an vielen Orten stattdessen dichtes, nahezu undurchdringliches Dickicht zurückgelassen. Überall sonst war nur blanker Fels. Nicht einmal der Rotadler, der sorglos unter den Regenwolken dahinsegelte, hätte die Armee auf den Hängen erkennen können. Allerdings hätte er sie gehört, denn zwanzigtausend Männer produzierten ein ständiges Brausen, selbst in der Nacht.
    Und ganz gewiss hätte er sie gewittert. Denn zwischen der Frontlinie der lagernden Armee und den südlichen Ebenen der Cité lagen Tausende verfaulender Leichen. Sie legten finsteres Zeugnis der Schlachten ab, die die Cité geschlagen hatte, um dieses wichtige Stück Land von den Petrassi zurückzuerobern. Die Invasoren hatten sich trotz verheerender Verluste grimmig dagegengestemmt. Und die Armee der Cité hatte sich schließlich, frustriert und erschöpft, hinter die steinernen Mauern zurückgezogen.
    Es war später Vormittag, es war grau und regnerisch wie immer, und irgendwo im Zentrum des Lagers saß ein Mann in einem Zelt und schrieb etwas im Licht einer Laterne. Hayden Weber, der Kommandeur der letzten großen Armee, die sich gegen die Cité stemmte, schrieb jeden Tag einen Brief an seine Frau. Manchmal war es ein kurzer, gehetzter Brief, nur ein Satz, der sie darüber informierte, dass er noch lebte. Häufig jedoch, wie heute zum Beispiel, hatte er die Muße, seiner lieben Anna von den Ereignissen des vorherigen Tages zu schreiben. Er konnte ihr den Klatsch berichten, den seine jungen Offiziere austauschten. Er konnte sogar die Aufstellung der Truppen schildern, denn er sorgte immer dafür, dass jeder Brief erst am folgenden Morgen losgeschickt wurde, weil er nicht wollte, dass der Nachricht v on se inem Tod ein fröhlicher, von ihm selbst verfasster Brief folgte.
    Ein dicker Wassertropfen fiel auf das Schreibpapier, und Hayden fluchte. Er nahm die Brille ab, sah hoch und fluchte erneut. Das Material des Zeltes war so fest, dass sich mittlerweile ein beträchtlicher See aus Regenwasser darauf gesammelt hatte. Die Decke sackte in der Mitte alarmierend ab. Der General stand auf, packte sein Schwert, das in seiner Scheide steckte und an seinem Gurt hing, und reckte sich. Er stieß mit dem Griff gegen die Beule, und das Wasser floss ab. Dann hörte er wütende Schreie und Flüche von draußen

Weitere Kostenlose Bücher