Der Moloch: Roman (German Edition)
Bartellus’ Verhaftung ursprünglich in die Wege geleitet, weil er der Vater einer Deserteurin war. Jetzt jedoch glaubte er, dass sein früherer Urquat-Partner ein gänzlich anderer Mann war. Dol hegte keinerlei Groll gegen Shuskara, den Soldaten. Was auch immer er getan hatte, um den Kaiser zu verärgern, war vielleicht schwerwiegend gewesen. Aber der General war mehrere Jahrzehnte lang ein treuer Krieger der Cité gewesen, der größte Soldat seiner Generation, das war unbestritten. Nein, Dols Groll gegen diesen Mann, wenn man es denn überhaupt Groll nennen konnte, war persönlicher Art. Ihn störte die Tatsache, dass der alte Bartellus ihn etliche Jahre mit seiner unschuldigen Verkleidung als der liebevolle Vater der Glasmacherin und als einfacher Veteran getäuscht hatte. Dol Salida betrachtete sich zwar als einen demütigen Diener der Cité, in Wahrheit jedoch war er ein überaus stolzer Mann, der sich nicht gern zum Narren halten ließ.
Also brachte eine Mischung aus Neugier und verletztem Stolz Dol dazu, den Namen Shuskara nicht auszusprechen. Stattdessen befahl er einem zufällig vorbeikommenden Soldaten, ihn zu den Verliesen des Palastes zu bringen, wo er den General höchstpersönlich entlarven wollte.
Emly kämpfte sich weiter, einen Arm um Bartellus gelegt, während sie versuchte, ihren Vater zu stützen, und in der anderen Hand die Fackel. Sie kamen nur langsam voran, und sie hatte Angst, dass jeden Augenblick Soldaten auftauchten, um sie zu verhaften oder sogar zu töten.
Bartellus hatte die Augen geschlossen. Seine ganze Konzentration schien sich darauf zu richten, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Emly sah sich derweil nervös um. Sie suchte nach Schlupflöchern für den Fall, dass jemand kam. Sie gingen durch einen unauffälligen steinernen Korridor, der langsam anstieg. Emly hatte ohne Probleme den Weg in die Verliese gefunden. Ihr erstaunliches Orientierungsvermögen hatte sie ebenso sicher hierhergeführt, als wäre sie den Beschreibungen einer Karte gefolgt. Doch das Wasser stieg, und sie konnten diesen Weg nicht mehr zurückgehen. Deshalb befanden sie sich jetzt auf unbekanntem Territorium. Aber sie war sich sicher, dass sie den richtigen Weg eingeschlagen hatten, denn sie nahm durch den Gestank der Verliese gelegentlich den Geruch von frischer Luft war.
Sie wurde von ihrem schlechten Gewissen gepeinigt, weil sie das Gefühl hatte, dass alles, was ihrem Vater widerfahren war, ihre Schuld war. Sie war all die Ereignisse noch einmal durchgegangen, die sie hierhergebracht hatten. Den Angriff auf die Scheune, die Flucht vor dem Feuer, Evans Auftauchen, den Brand des Hauses des Glases, den Tod des armen Frayling. Archange. Der Sohn des Kaufmanns und der verlorene Schleier. Davor hatte sie ein Leben in segensreicher Ignoranz gelebt, sicher in dem Wissen, dass Bartellus sie vor allem beschützen würde, was das Leben bringen konnte. Niemals hätte sie gedacht, dass sie einmal ihn beschützen müsste, und jetzt fühlte sie sich unzulänglich und schrecklich verletzlich.
Sie verstand die Ereignisse, die sie davongespült hatten, nur ungefähr. Aber sie wusste, dass Bartellus sich nicht halb tot durch Tunnel unterhalb der Cité kämpfen, sondern eine Rebellion gegen den Kaiser anführen sollte. Mit Evan und dem Helden Fell Aron Lee an seiner Seite.
Zum ersten Mal wünschte sie sich, sie wären wieder in den Hallen, wo sie eine Überlebensexpertin war und ihn beschützen könnte. Sobald sie diese Tunnel verlassen hatten, würde sie sich in dem hellen Sonnenlicht verloren fühlen. Sie wusste nicht, wo sie an die Oberfläche kommen würden, im Palast oder draußen in der Cité. Wo auch immer es war, sie würde sich auf jeden Fall ein Versteck suchen müssen.
Bartellus schien allmählich zu Kräften zu kommen, er hielt sich gerader und stützte sich weniger auf sie. Dann wehrte er sich gegen ihren Griff.
» Es geht mir gut«, murmelte er. » Lass mich los, Mädchen. Wo sind wir?«
» Das weiß ich nicht«, gestand sie. » Aber ich kann frische Luft riechen. Wir müssen diesem Weg folgen.«
» Welchen Tag haben wir?«
Emly war sich unsicher. Der Moment, wo sie vor den Patrouillen weggelaufen war, schien schon Wochen zurückzuliegen. Sie konnte nicht mehr als einen Tag in den Tunneln sein, aber es kam ihr vor wie ein ganzes Leben. » Der Tag der Zusammenkunft«, sagte sie schließlich.
» Ist es schon Mittag?«
» Das weiß ich nicht.«
» Wir müssen die Kaserne der Vierten Imperialen
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