Der Moloch: Roman (German Edition)
wir hier.«
Indaro schüttelte unsicher den Kopf. » Der Kaiser ist kein Narr. Er muss doch begreifen, dass die Ankunft seines angeblichen Sohnes am selben Tag wie der Angriff auf den Palast kein Zufall sein kann.«
» Wir wissen nicht, was der Kaiser ist«, erwiderte Elija nachdenklich. Indaro musste ihm Recht geben.
Sie schüttelte den Kopf, um ihre Gedanken zu klären. Es hatte keinen Sinn zu erwähnen, dass einige der Krieger, die sie zurückgelassen hatten, Petrassi und Odrysianer, gefangen genommen und gefoltert würden. Vielleicht hatten sie sie schon an den Feind verraten. » Nichts hat sich geändert«, erklärte sie. » Wir halten uns an den ursprünglichen Plan. Wir gehen zum Fried, finden Fell und Broglanh und vielleicht auch den Kaiser. Diesmal kann uns eine große Menge von Soldaten nicht helfen. Unsere Freunde sind Verstohlenheit und Stille.« Sie sah Elija an. » Du kannst selbst entscheiden, was du tun willst. Du bist kein Krieger.«
» Ich war auch kein Krieger, als ich mich zu dieser Mission entschlossen habe. Ich kann jetzt nicht mehr zurück.« Er warf einen Blick auf die Tür, durch die sie den Raum betreten hatten. » Ich würde eher sterben, als in die Kanalisation zurückzukehren. Außerdem steigt das Wasser. Der Rückweg ist ohnehin versperrt. Ich bleibe bei euch. Wer weiß, vielleicht kann ich euch vor dem Ende noch einmal nützlich sein.«
Indaro warf Garret einen Blick zu, und der Krieger nickte. Elija begriff nicht, dass er sie möglicherweise zum Tode verurteilte, wenn er mit ihnen ging. Denn sie würden ihn jetzt beschützen, vielleicht unter Einsatz ihres Lebens, weil er einer von ihnen war. Sein Gesicht war blass, und in seinen Augen zeichnete sich Verzweiflung ab. Indaro wusste, dass er diese ganze Mission nur deswegen mitgemacht hatte, weil er gehofft hatte, Emly zu finden. Und diesem Ziel schienen sie keinen Schritt näher gekommen zu sein.
» Wir werden Emly finden, wenn sie noch am Leben ist«, sagte sie. Sie wussten beide, dass sie ein solches Versprechen eigentlich nicht geben konnte, aber er lächelte schwach und nickte. » Gehen wir. Das da brauchst du nicht mehr.« Sie deutete auf Elijas Rucksack. Er schien ihn nur ungern zurückzulassen. » Die Karten sind jetzt nutzlos«, sagte sie. » Hast du etwas zu essen?« Er schüttelte den Kopf. » Dann komm.«
Es war der Morgen des Tages der Zusammenkunft, und sie hatten nur noch wenig Zeit, um Fell zu finden.
Die Rituale der Zusammenkunft begannen mit Liedern und Tanz. Die Kinder des Palastes verkleideten sich mit Fellen und Häuten, um die wilden Geschöpfe des Landes zu repräsentieren. Oder vielmehr jene, die in der Vergangenheit hier gelebt hatten, bevor die Götter gekommen waren. Dol Salida wusste nicht mehr genau, was von beidem zutraf. Seine Gedanken waren abgelenkt durch das, was er gesehen hatte. Es war schon lange her, dass er einen richtigen Kampf mit angesehen hatte, nicht nur eine Prügelei vor einer Taverne oder ein Scharmützel zwischen Straßenhändlern und der Miliz. Der Anblick hatte Erinnerungen geweckt, und zwar keine erfreulichen. Er hegte nicht den Wunsch, noch einmal ein junger Mann zu sein, Körper zu durchbohren, Muskeln zu zerfetzen, im Blut seiner Feinde zu baden. Ich werde weich, dachte er, denn seine Sympathien waren bei den Eindringlingen gewesen. Sie hatten so mutig im Angesicht des sicheren Todes gegen eine überwältigende Übermacht gekämpft.
Und doch war er die Ursache für ihren Untergang. Früh am Morgen hatte er eine Nachricht von seiner Auftraggeberin erhalten, in ihrem privaten Code, in dem sie ihn darüber unterrichtete, dass ein Angriff auf den Palast stattfinden würde. Zuerst war er verblüfft gewesen und hatte sich gefragt, warum sie diese Information durch ihn weitergeben wollte, statt die Behörden selbst zu alarmieren. Er hatte eine Weile gezögert, während er überlegte, wem er es sagen sollte. Die naheliegende Wahl wäre Dashoul gewesen. Ihm unterstand die gesamte Palastwache, abgesehen von den Eintausend. Er war verantwortlich für die Bewachung der Tore, für die Patrouillen auf den Mauern und für die Wachen in den Verliesen. Alle diese Dienste wurden von normalen Soldaten der Cité übernommen. Seit kurzem wurden sie häufiger ausgetauscht. In den letzten Jahren hatte dasselbe Regiment monatelang diese Aufgaben erledigt, manchmal sogar jahrelang. Dadurch waren sie abgestumpft und unfähig geworden. Jetzt jedoch, vor allem seit dem Angriff auf das Kleine Opernhaus,
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