Der Moloch: Roman (German Edition)
Dann sahen sie mit gezückten Schwertern zu, wie ein Krieger mit einem schwarzen Vollbart die Treppe hinauf auf sie zukam und auf seinem Weg nach oben behutsam über die Leichen von Männern und Frauen hinwegstieg.
» Wo ist Fell?«, fragte Bartellus Broglanh leise, als Evan sich ihm weit genug genähert hatte.
» Als wir ihn das letzte Mal gesehen haben, lebte er noch. Er ist in dem Durchgang da unten verschwunden.« Er deutete mit dem Finger in die Richtung. » Wahrscheinlich war er hinter dem Kaiser her. Wir haben versucht, ihm zu folgen, um ihm Rückendeckung zu geben. Aber es waren einfach zu viele für uns.«
Bartellus grinste grimmig und warf einen Blick auf die Leichen, die sich auf der Treppe auftürmten. » Ja«, meinte er. » Ich hätte wirklich etwas mehr von dir erwartet, Evan.«
Dann näherte sich ihnen der Kommandeur der Eintausend. Sein Gesicht war gerötet, und er hatte die dunklen Brauen zusammengezogen.
» Für heute reicht es mit dem Blutvergießen«, erklärte er mit einer dunklen, grollenden Stimme. » Krieger der Eintausend …«
Aber als sein Blick auf Bartellus fiel, hielt er inne und erstarrte ungläubig.
» Shuskara?«, keuchte er. » Von allen Männern …«
Ein Raunen lief durch die Halle, als der Name Shuskara von Mund zu Mund ging. Die runden Wände warfen das Flüstern zurück und steigerten es zu einem lauten Echo, das die ganze Halle erfüllte. Bartellus ließ es ausklingen.
» Fortance«, antwortete er dann und hob die Stimme, sodass sie von den Wänden widerhallte. » Es ist viele Jahre her. Sind deine Kinder inzwischen erwachsen?«
» Alle bis auf zwei«, entgegnete Fortance, schob sein Schwert in die Scheide und stieg mit grimmiger Miene die Treppe weiter herauf. » Und alle bis auf zwei sind im Dienst der Cité gefallen.«
Bartellus senkte den Kopf. » Wir sind hier, um dem ein Ende zu machen.«
Fortance spuckte auf den Boden. » Indem ihr meine besten Soldaten umbringt – Männer und Frauen, die einmal deine Kameraden waren?« Er starrte hasserfüllt auf Broglanh und seine rothaarigen Gefährtin. Zum ersten Mal begriff Bartellus, dass es sich bei der Frau um Indaro handelte, die er zuletzt mit Archange in den Tiefen der Hallen gesehen hatte. Also bist du wirklich die Schwertkämpferin, für die du dich ausgegeben hast, dachte er. Aber als er sah, wie Indaro zusammensackte, drehte er sich weg und versuchte, nicht an sie zu denken.
» Die Cité stirbt, Fortance«, sagte er. » Der Krieg muss ein Ende haben. Und das kann nur der Tod des Kaisers gewährleisten. Marcellus ist ein ehrenwerter Mann, das wissen wir alle. Er wird ein gerechter Kaiser sein. Er wird den Krieg beenden und die Cité vor dem Untergang bewahren.«
Der alte Soldat sagte: » Wir sind die Leibwache des Kaisers. Und wir werden unsere Pflicht tun. Ein wütender alter Mann und eine Handvoll rebellierender Reiter werden uns nicht davon abhalten. Deine Männer …«, er ließ seinen Blick voller Verachtung über die Nachtfalken schweifen, » sind ebenfalls verpflichtet worden, den Kaiser zu verteidigen.«
» Diese Männer«, sagte Bartellus, » sind die wahren Verteidiger der Cité. Sie wollen für ihre Zukunft kämpfen …«
» Indem sie sich auf die Seite des Feindes stellen?«, brüllte Fortance, dessen Gesicht mittlerweile die Farbe von Ochsenblut angenommen hatte.
» Sobald der Kaiser weg ist, werden sich die Blauen zurückziehen.«
» Das glaubst du wirklich, alter Narr?«, fragte Fortance überrascht.
» Sie sind nicht daran interessiert, die Cité zu erobern oder ihre Bewohner zu töten.«
» Und warum mussten dann heute Tausende von unseren Einwohnern ersaufen oder wie Ratten in die Kanalisation gespült werden?«
Bartellus blieb stumm. Er hatte keine Ahnung, wovon der Mann redete, und Zweifel regte sich in ihm. Aber sein Gesicht zeigte keine Regung. Fortance sprach weiter. » Inzwischen hat ein Heer der Blauen die Mauern gestürmt und Barenna und das Amphitheater angegriffen. Und du sagst, sie wollen uns nichts Böses? Hast du den Verstand verloren, Shuskara?«
Bartellus war wie vor den Kopf gestoßen. In dem Plan, den Broglanh ihm erklärt hatte, war von einer gewaltsamen Eroberung der Stadt nicht die Rede gewesen. Er begann sich zu fragen, ob er vielleicht tatsächlich den Verstand verloren hatte. Doch dann zwang er sich, seine Gedanken wieder auf das Dilemma zu richten, in dem sie sich momentan befanden. Er musste entschlossen über das hinweggehen, was er jetzt nicht mehr ändern
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