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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Rauschgifte, aber er wusste genügend davon, um zu erkennen, dass der Junge seine Probleme diesen Zigaretten anvertraute.
    Der Junge gurgelte und spuckte dann aus dem Fenster. »Ich bin achtzehn«, sagte er. Er sagte es so wie ein Mann, der aus dem Nebel des Alkohols wieder auftaucht und seine Umwelt zu begreifen beginnt. »Ich habe keine Probleme, die ich mit dir besprechen könnte.«
    »Wieso nicht?«, fragte Horstmann beleidigt. Dann fügte er versöhnlich hinzu: »Jetzt ist sicher nicht der richtige Zeitpunkt, darüber zu sprechen.«
    »Es wird keinen Zeitpunkt mehr geben.« Der Junge lehnte sich aus dem Fenster. »Ich werde warten, bis du meine Ausbildung bezahlt hast, und dann werde ich gehen. Ich mag euch alle nicht mehr. Sabine ein bisschen, aber auch nicht sehr viel.«
    »Das kann nicht dein Ernst sein«, murmelte Horstmann. Aber er wusste, dass der Junge es ernst meinte.
    »Es ist mir sogar gleichgültig, ob du es ernst nimmst oder nicht«, sagte der Junge heiter. »Ich habe dir den Spitznamen›Der Vandale‹ gegeben. Weißt du, warum? Na ja«, er drehte sich wieder herum und lächelte fröhlich, »die Vandalen waren die Kameraden, die von Ost nach West durch Europa zogen, Spanien verheerten und schließlich Nordafrika. Deshalb.«
    Horstmann spürte Furcht. »Wir leben in anderen Zeiten.«
    »O nein, mein Herr, o nein! Du bist ein klassischer Vandale. Deine Frau ist: eine Banane. Du hast sie irgendwann auf den Küchentisch gelegt und vergessen. Da ist sie dann liegengeblieben und zuerst ein wenig angefault und dann verschimmelt und schließlich vertrocknet. Und wenn Sabine und ich nicht schnell abhauen, dann sind wir zwei neue Bananen für dich. Ich habe wirklich keine Probleme.«
    Das Ungeheuerliche war, dass er dabei freundlich lächelte, als hätte er die ganze, sehr komplizierte Angelegenheit vollkommen begriffen und in jeder Phase verstanden. Wie ein Priester etwa. »Du bist besoffen von dem Zeugs«, sagte Horstmann.
    »Das bin ich nicht«, sagte der Junge. Dann ließ er sich auf das Bett fallen.
    Horstmann ging zurück in das Schlafzimmer. Er sah, wie seine Frau eine Tablette gegen ihre Herzgeschichte nahm. »Es ist in Ordnung«, sagte er, »es ist in Ordnung. Er ist nur übermüdet und ein bisschen durcheinander.« Er dachte: Ich werde mich jetzt anziehen und ins Labor fahren. Es hat wenig Sinn, in diesem Haus zu hocken mit diesen Leuten, die ich meine Familie nenne. Ich muss Ocker breitschlagen, dass er mich an ein paar hübsche Weiber heranbringt. Und das Geld darf ich nicht vergessen.
    Er spielte wieder ein wenig mit Zahlen. Er begann bei zwanzigtausend, stieg dann über vierzigtausend auf fünfzigtausend, überlegte den Wert seiner Person, stieg auf siebzigtausend,sah das Gesicht des Chefs, das immer so ungeheuer verantwortungsbewusst und fett war, und war dann bei hunderttausend angelangt. Er würde also hunderttausend verlangen. Das war durchaus angemessen, und er war ganz sicher, dass nichts schiefgehen konnte. Er hatte aufgehört, nichts anderes zu sein als ein hochqualifizierter Chemiker in der Forschung. Man schuldete ihm etwas, o ja, man schuldete ihm verdammt viel.
    »Ich ziehe mich an«, murmelte er, »ich kann ohnehin nicht mehr schlafen.«
    »Aber es ist so früh«, sagte sie nervös.
    Immer, wenn ihr Herz Schwierigkeiten machte, war sie nervös; wahrscheinlich hatte sie dann Angst. Wer hatte keine Angst, wenn sein Herz so komische Bocksprünge machte, wie Marias Herz das tat? »Ich habe viel zu tun«, sagte er. Er nahm seine Sachen und ging hinüber ins Bad.
    Zuweilen überfiel ihn wie eine Explosion der Gedanke, sie könne an ihrem Herzleiden sterben. Dieser Gedanke war nur in den ersten Sekunden erschreckend, später wurde er sanfter und drastischer. Was war dabei, wenn Maria nicht mehr war? Konnte sie nicht ohnmächtig werden und auf der Kellertreppe stürzen? Man würde sie finden. Er selbst oder Sabine oder der Junge. Nein, besser nicht er selbst. Chemikern traute man immer gleich kleine Nachhilfen zu bei tödlichen Unfällen im Haushalt. Aber bei Maria würde selbst ein Polizist nicht auf eine solche Idee kommen. Selbst Polizisten mussten zugeben, dass Maria eine wundervolle Hausfrau gewesen war. Vom Teuflischen in ihrem verdammten Defensivspiel hatte der Polizist keine Ahnung.
    Horstmann hatte schon oft darüber nachgedacht, wie er sich als Trauernder an ihrem Grab ausnehmen würde. Aber er hatte auch daran gedacht, dass ihr Tod für ihn vieles leichtermachen würde. Zum

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