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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Schraubstock klemmen.« Ocker quengelte, er quengelte jeden Tag, weil er wusste, dass Horstmann nicht recht weiterkam, wenn es nicht gelang, dieses Gehirn oder Herz oder diese Lebenszelle oder wie immer man diese graue Masse bezeichnen wollte, heil und unangetastet zu isolieren.
    Dann, eines Abends, gegen 22 Uhr, war es soweit. Horstmann war bei seinem vierhundertsten Versuch, mit verschiedenen Giftzusammensetzungen irgendeine Reaktion zu erzielen.
    Ocker kam hereingestürzt. »Ich habe das Ding«, brüllte er. »Ich bin ein Esel gewesen, ich hätte gleich darauf kommen können.«
    »Wie hast du es gemacht?«, fragte Horstmann erschöpft. Sie hatten sich nicht einmal erlaubt, eines der Wochenenden zu benutzen, um sich auszuschlafen.
    »Ich habe in einer trägen Lösung gearbeitet, genauer gesagt in hochfeinem Maschinenöl. Jetzt habe ich so ein Ding. Und es pulsiert weiter.«
    »Ich werd’ verrückt«, sagte Horstmann. Er rannte hinüber in Ockers Labor und sah Ockers Erfolg. Er sparte nicht mit Lob. »Du bist schon wer«, sagte er. »Wie willst du die Analyse machen?«
    »Ich nehme das Ding raus, bringe es auf einen Objektträger und berechne die Masse. Danach gehe ich in die Detailanalyse.«
    »Wie lange wird das dauern?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Ocker. »Nicht länger als einige Tage. Vielleicht drei oder vier. Hast du einen Schnaps?«
    »Nein«, sagte Horstmann. »Mach mir die Messung der Gesamtmasse noch in dieser Nacht.«
    »Wie du willst«, sagte Ocker. »Ich hab’ dich lange genug aufgehalten.«
    »Nicht du«, sagte Horstmann gutmütig, »die lieben Würmchen waren es.«
    Ocker war um drei Uhr fertig mit der Messung. Das Gewicht ergab einen sehr hohen Wassergehalt der Zelle. Aber noch wussten sie nicht, wie hoch der Wassergehalt exakt war.
    »Lass uns schlafen gehen«, sagte Horstmann. »Wir machen morgen weiter.«
    Sein kleines Haus lag dunkel wie ein Boot ohne Besatzung. Er hatte beinahe Furcht davor. Er war sehr erschöpft. Als er die Garagentür schloss, spürte er in der linken Seite seines Brustkorbes einen kurzen, stechenden Schmerz, der bis hinunter in seinen linken Arm fuhr. Ich darf mich um so etwas nicht kümmern, dachte er. Das ist ganz natürlich, ich bin total erschöpft. Wir arbeiten zu viel, Ocker und ich.
    Der Schmerz kam nicht mehr wieder, obwohl Horstmann geradezu aufgeregt in sich hineinhorchte.
    »Du kommst immer so spät«, sagte Maria. Es war kein Vorwurf darin, nur Anteilnahme.
    »Wir arbeiten an diesen verdammten Würmern, bis wir sie kriegen«, sagte er. »Ich wollte dich nicht stören.«
    »Du störst nicht«, sagte sie mit abgewendetem Gesicht. »Ich bin immer etwas ruhiger, wenn ich dich im Garten mit dem Hausschlüssel klappern höre, obwohl es doch eigentlich Blödsinn ist.«
    Mit einem Satz konnte sie eine Zärtlichkeit bauen und mit dem nächsten wieder zunichte machen. »Was ist daran Blödsinn?«, fragte er. »Es tut doch gut zu hören, dass man gefragt ist.« Er log schlecht, aber immerhin war es besser zu ertragen.
    »Du bist immer mehr weg«, sagte sie. »Du kommst nur noch nach Hause, um zu schlafen, ein wenig zu essen und dann wieder zu gehen. Wann wirst du eines Tages ganz ausbleiben?«
    Horstmann gestand sich widerwillig ein, dass diese Frage sehr logisch war. Im Grunde hatte Maria Recht. Eines Tages, schon bald, würde er einfach nicht wiederkommen.

5. Kapitel
    Horstmann musste Maria in Sicherheit wiegen, er musste ihr die Angst nehmen, dass er eines Tages wegbleiben könnte. »Rede nicht solches Zeug«, sagte er und warf sich über sein Bett. Er küsste sie leicht, und er empfand nicht sonderlich viel dabei. Er war nur sehr schnell erregt.
    »Du wirst mich allein lassen«, sagte sie, und sie hielt seinen Kopf mit beiden Händen fest.
    »Nein.«
    »Doch«, sagte sie. »Und ich möchte wissen, was ich falsch gemacht habe.« »Nichts«, sagte er. Dann küsste er sie flüchtig, aber sie biss ihn mit einer beinahe tierischen Angriffslust. Sie murmelte: »Ich will doch alles tun, was du sagst.«
    Er war in Versuchung zu sagen, dass es sicher eine Menge Frauen gab, die alles das taten, ohne darum gebeten zu werden. Er wollte sich von ihren Armen befreien, aber sie ließ das nicht zu. Sie wollte nicht, dass er ihr entglitt, und sie schluchzte ein wenig. »Tu es doch. Ich bin so leer. Wenn ich morgens aufwache und denke, dass dies nur ein Tag wie jeder andere wird, macht es keinen besonderen Spaß zu leben.«
    Horstmann tat es. Er tat es wie immer, und er gab sich

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