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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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unternehmen?
    Er fuhr den Wagen in die Garage und war enttäuscht, dass er Maria nichts von den hunderttausend Mark erzählen konnte, vor allem nicht von der raffinierten Art, wie er es geschafft hatte. Aber wenigstens konnte er ihr die Formel des Bekämpfungsmittels erklären, und auch, dass er eine Gehaltserhöhung bekommen hatte. Er würde ihr einen Scheck über zwanzigtausend ausstellen. Das hatte er versprochen.Sie hatte zwar gesagt, sie wolle kein Geld, sondern nur ihn. Aber das war einfach albern. Zwanzigtausend Mark!
    Plötzlich fiel ihm auf, wie merkwürdig seine Gedanken torkelten. Er hatte noch vor kurzer Zeit in seinen Überlegungen seine Frau als ein Spültuch bezeichnet. Er hatte sich vorgenommen zu fliehen, diese Familie zumindest zeitweise zu verlassen, sich Frauen zu kaufen oder gar zu erobern, die alle die Schweinereien mit ihm trieben, von denen er seit Jahren träumte.
    Und nun ärgerte er sich darüber, dass er es nicht wagen konnte, seiner Frau zu erklären, wieso er plötzlich um so viel Geld reicher war. Sie durfte nicht einmal wissen, dass er es besaß.

8. Kapitel
    Während Horstmann durch den Vorgarten ging, malte er in Gedanken eine winzige, rohe Skizze: Er, Dr. Horstmann, Chemiker, im Kreis der Familie. Sabine am Tisch, siebzehn Jahre alt. Harald am Tisch, achtzehn Jahre alt. (Gewiss, Sabine, ein mit allen Wassern gewaschenes junges Weibsbild, vermutlich erfahrener als er; Harald Haschischraucher! Und das alles ohne sein Wissen! Aber lassen wir das einmal beiseite.) Maria am Tisch, zwanzig Jahre mit ihm verheiratet. Und dann er selbst mit einer großen Ledertasche. Langsam würde er die Tasche öffnen, und er würde ohne jede Emotion sagen: »Seht her, ich habe dieses für euch heran geschafft!« Er würde die Tasche ganz hochheben, und dann würde er einhundert Tausendmarkscheine heraussegeln lassen wie muntere Schwalben. Sie würden verrückte Gesichter machen. Maria ein bisschen ängstlich, ob es auch wirklich wahr sei. Sabine voller Staunen. Vielleicht würde sie einen Augenblick so etwas wie Hochachtung empfinden. Und der Junge? Wahrscheinlich würde er ganz automatisch an ein kleines Auto denken bei so viel Geld. Verdammt noch mal, warum sollte er auch nicht? Warum soll der Junge nicht ein Auto kriegen?
    Horstmann schlenkerte die Aktenmappe hin und her, während er durch den Vorgarten ging. Natürlich, der Junge war erst achtzehn, hatte nicht einmal den Führerschein. Horstmann dachte ganz abrupt: Ich weiß nichts von ihm. Von Sabine weiß ich wenigstens, was sie über mich denkt und dass sie meine Ehe mit ein paar Filzpantoffeln vergleicht, die über einen Krankenhausgang latschen. Das ist zwar nicht viel, aber immerhin etwas. Aber von dem Jungen weiß ichnichts. Sein Geburtsdatum, ja, Erinnerung an seine Konfirmation, ja. Aber ich weiß nicht, was er jetzt denkt.
    Horstmann schloss die Haustür auf und kam dabei auf die sehr ernüchternde Idee, dass es gar nichts Besonderes war, dass Sabine ihm von ihrer verlorenen Jungfernschaft erzählt hatte. Nach dem zu urteilen, was man in Büchern las und im Fernsehen sah, würde sie das wahrscheinlich jedem erzählen, der es unbedingt hören wollte. Es war wie ein Schlag, als er daraus die Konsequenz zog: Dieses Geständnis ist kein Beweis dafür, dass sie mich mag, dass ich ihr Vater bin und sie meine Tochter. Dafür gibt es noch keinen Beweis.
    Er ging hinein und sagte laut: »Ich bin durstig, ich will ein Bier.«
    Sabine kam aus dem Wohnzimmer gelaufen. Sie hatte eine Platte aufgelegt. Es klang sehr weich und hölzern. Es klang angenehm. »Mama ist nicht da«, sagte Sabine. Sie trug nichts als ein Hemd von Harald und darunter einen schwarzen Bikini.
    »Du siehst hübsch aus«, sagte Horstmann. »Schaffst du mir ein Bier ran?«
    »Ja«, sagte sie. »Du kommst heute ziemlich früh.«
    »Ich hatte die Nase voll«, sagte Horstmann und sah ihr nach, wie sie in die Küche ging und sich zum Eisschrank bückte. Er fand sie wirklich hübsch. Aber das Kompliment eines Vaters war wohl nicht viel wert. »Wie heißt diese Musik?« Er hörte sie in der letzten Zeit dauernd. Jemand pfiff sie, oder jemand summte sie, oder sie kam aus kleinen Transistorradios.
    »El Condor pasa«, sagte Sabine. Sie goss ihm Bier in das Glas. »Ich glaube, das heißt ›Der Kondor fliegt vorbei‹. Darf ich auch ein Bier trinken?«
    »Du wirst zu dick«, sagte er.
    Sabine zog das Hemd hoch und zeigte die völlig glatte Fläche ihres Leibes. »Ich bitte dich. Zu dick?«

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