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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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brüllten sie beide vor Lachen und umarmten sich. Es war ein kleiner, resignierter Waffenstillstand.
    »Ich will jetzt raufgehen zu ihm«, sagte Horstmann.
    »Mach es hart«, sagte Sabine.
    »Wenn ich dich hier unten brüllen höre, bist du gut in Form.«
    Horstmann sah sie neugierig an. Er schüttelte den Kopf und sagte: »Ich habe dich eben nicht geschlagen, ich werde auch nicht brüllen. Es hat keinen Sinn, verstehst du? Ich will meine Ruhe haben vor euch. Vor diesem ganzen Haus.«
    Als er das Zimmer verließ, war er sehr befriedigt. Er hatte es immerhin fertiggebracht, Verwirrung in das Gesicht seiner Tochter zu schütten. Soviel Verwirrung, dass ihre Augen sehr groß gewesen waren. Es war ein mickriger Sieg, aber immerhin würde er ausreichen, ihre gottverdammte Gleichgültigkeit zu zerstören.
    Horstmann ging die Treppen hinauf und suchte nach einem Programm. Er wollte an seinen Sohn herangehen wie an eine Forschungsaufgabe. Außerdem hatte er zweifellosein objektives Interesse an ihm. Wie sahen eigentlich diese Leute aus, die tagelang Hasch geraucht hatten? Horstmann wusste genau, wohin Hasch führte. Oh ja, daran bestand kein Zweifel, er wusste es genau.
    »Mach auf«, brüllte er burschikos, »ich möchte mit dir sprechen.«
    »Ich muss arbeiten«, sagte Harald. Seine Stimme war etwas rau und klang gelangweilt.
    »Dann stoße ich die Tür ein«, sagte Horstmann. »Das ist doch lächerlich. Du wirst mich doch wohl in dein Zimmer lassen.«
    »Ich werde nicht«, sagte Harald. Er lag offensichtlich auf dem Bett, denn da war das Geräusch von Matratzen. Wahrscheinlich hatte er sein Gesicht jetzt zur Wand gedreht.
    Horstmann überlegte einen Moment. Möglicherweise war das, was er tun wollte, falsch. Aber er hatte bei Sabine gespürt, dass es gefährlich war, zu kapitulieren. Er überlegte, welche Schulter mehr vertragen konnte. Er war Rechtshänder. Also drehte er sich leicht nach links und ließ sich sehr hart und ganz ohne Skrupel gegen die Tür fallen. Es gab einen sehr lauten Knall, aber die Schulter schmerzte nicht im Geringsten.
    Der Junge lag auf dem Bett, das vollkommen zerwühlt war. Das Fenster war geschlossen. An den Wänden waren einige Plakate, ein paar Aktfotos, einige davon eindeutig pornographisch.
    Horstmann roch das Haschisch, außerdem stank es widerlich nach schlechter Verdauung, Staub, Sperma. Horstmann war sehr wach, er unterschied die Stoffe sehr genau voneinander. Er sagte: »Dreh dich herum!«
    Aber der Junge hatte sich schon herumgedreht. Er keifte: »Jetzt werde ich wie ein Untermieter behandelt. Macht dernicht auf, bricht man einfach ein. Könnte er eine Dame auf dem Zimmer haben?« Er wirkte unglaublich arrogant.
    »Nein«, sagte Horstmann, dem es eine kaum zu unterdrückende Freude bereitete, Schläge auszuteilen. »Eine Dame hat das Schwein nicht auf der Bude. Dafür hat es onaniert, nicht gelüftet, eine Unmenge Hasch gequalmt, die Schule geschwänzt und zweitausendachthundert Mark Schulden gemacht.«
    »Das hat Sabine gesagt, nicht wahr?« Das dunkle Haar des Jungen wirkte unglaublich schmutzig und verklebt. Unter seinen Augen waren tiefe, dunkle Furchen.
    Wenigstens hat er regelmäßig gegessen, dachte Horstmann. Er sagte: »Ja, das hat mir Sabine gesagt. Sie macht sich Sorgen um dich.«
    »Und du natürlich nicht. Du erfüllst eine lästige Vaterpflicht.«
    »Nicht ganz«, sagte Horstmann. Er war zornig.
    »Erzähl das deiner Großmutter«, sagte der Junge.
    Horstmann war mit zwei Schritten über dem Bett und schlug dem Jungen die rechte Hand quer über das Gesicht. »Du bist ein Arschloch«, sagte er heftig. Er musste das Gebiss des Jungen getroffen haben, denn auf seinem Handrücken war eine flache Furche, die sich schnell mit Blut füllte.
    Der Junge blutete heftig aus der Nase.
    Horstmann ließ sein Taschentuch einfach in das Gesicht des Jungen fallen. Er war so über sich selbst erschrocken, dass er einen Augenblick lang das verzweifelte Gefühl hatte, nicht schlucken zu können. Mein Vegetativum, dachte er mechanisch, vielleicht macht es nicht mehr mit. Er wusste genau, dass bei solchen Erscheinungen eine so starke Hypotonie auftreten konnte, dass man vorübergehend in Ohnmacht fiel. Aber das war harmlos. Es war zu überspielen,wenn er etwas tat, irgendetwas. Und also brüllte er konsequent: »Sabine!«
    »Ja?«, rief das Mädchen von irgendwoher.
    »Bring mir einen Eimer mit Wasser. Und außerdem irgendeinen Schnaps.«
    Normalerweise musste er jetzt reagieren, wie man es

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