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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Sie lachte. »Hast du wirklich gemeint, ich sehe hübsch aus?«
    »Ja, das habe ich«, sagte Horstmann. Er trank und dachte wieder darüber nach, was sie wohl sagen würde, wenn er ihr ein wenig von seinen Träumen erzählte. Wahrscheinlich würde sie es verstehen und es nicht einmal für besonders komisch oder lächerlich halten. Bei dieser Generation war das meiste, was Freiheit und Sexualität anbelangte, »natürlich«. Ein Scheißwort. Aber es änderte nichts, wenn man Begriffe verfluchte. Er sagte: »Als ich so alt war wie du, gab es keine Stoffe in so hübschen Farben. Die Mädchen waren eintöniger, versteckten ihre Beine und ließen ihr Haar nicht so wild wehen. Ich mag das.«
    »Na so was«, sagte sie in milder Ironie. »Wie habt ihr denn damals überhaupt entdeckt, dass es Mädchen waren?«
    Er grinste und antwortete schnell: »Daran, dass sie Jagd auf uns machten.«
    »Hat Mama Jagd auf dich gemacht?« Sie kicherte, es war offensichtlich unvorstellbar für sie.
    »Nicht so offen, wie ihr das vielleicht heute tut, aber immerhin ...«
    »Wir tun es auch nicht offen«, sagte sie schnell. Dieses Musikstück vom Condor war dahin wie ein paar Minuten guter Laune.
    »Leg das Ding noch mal auf«, sagte er. »Hier, trink aus meinem Glas!«
    Sie nahm sein Bierglas und ging an ihm vorbei in das Wohnzimmer. »Harald hat Schwierigkeiten«, sagte sie.
    Horstmann sah auf die Uhr. Er würde Ocker gegen acht Uhr abholen. Sie würden irgendwo essen, und dann musste Ocker irgendeinen Laden mit Schweinereien parathaben. Er wollte wissen, ob seine Träume realisierbar waren.
    »Wieso hat Harald Schwierigkeiten? In der Schule?«
    »Auch«, sagte sie, »aber es ist noch was anderes.« Sie winkte ihm zu, und er ging hinter ihr in das Wohnzimmer und schloss die Tür. »Was ist?«, fragte er.
    Sie sah ihn an, ein wenig abschätzend. Das dauerte unangenehm lange. »Ich weiß nicht, ob du weißt, dass wir alle mal irgendwie mit Haschisch in Berührung kommen. Ich hab’s auch versucht, aber ich habe mich übergeben müssen. Es ist ein widerliches Zeug. Ich mag es nicht,« Sie machte eine wirre Bewegung mit der Hand, als habe sie Angst. »Na ja, du weißt ja, dass man Hasch auch Einstiegsdroge nennt und ...«
    »Ich bin Chemiker«, sagte Horstmann ironisch. »Bring mir nichts davon bei. Und dass mein Sohn qualmt, weiß ich.«
    »Naja, warum soll er nicht, wenn’s ihm Spaß macht! Aber das ist es nicht. Er hat tausend Joints angeboten gekriegt, also tausend Zigaretten. Vorzugspreis. Er hat alle tausend gekauft. Auf Pump. Jetzt sitzt er seit fünf Tagen oben in seinem Zimmer und qualmt. Und er geht nicht mehr zur Penne. Ich mache mir Sorgen.«
    »Du machst dir Sorgen?«, fragte Horstmann. Er war erstaunt. »Wieso machst du dir Sorgen? Warum hast du mir das nicht früher gesagt?«
    »Weil ich nicht wusste, dass du überhaupt noch mit uns sprichst«, sagte sie scharf. »Als ich dir sagte, dass ich ab und zu mit Jungens schlafe, habe ich mir gedacht, dass du doch nicht so hundsgemein elend bist, wie ich geglaubt habe. Na schön, du hast zwar nicht Vater gespielt, aber du kannst es jetzt etwas nachholen. Harald hat nämlich kein Geld, den Stoff zu bezahlen. Und wenn ihn der Verkäufer erwischt, wird er zusammengeschlagen, oder was weiß ich.«
    »Es geht also wieder ums Geld«, sagte Horstmann enttäuscht. Musste er jetzt als sorgender Familienvater entsetzt in die Bude seines Sohnes stürzen und zu brüllen beginnen? Entsprach das der heutigen Vorstellung von Erziehung? Er fragte: »Wieso machst du dir Sorgen?«
    Sabine zündete sich eine Zigarette an. »Ich mach mir nicht mal freiwillig Sorgen«, sagte sie, »es ist einfach so gekommen. Diese Familie besteht eigentlich nicht aus zwei Generationen, wie man immer so schön sagt, sondern aus drei Gruppen.« Sie lächelte schwach. »Ich habe mit Harald darüber diskutiert. Er ist auch der Meinung. Die erste Gruppe bist du. Du bringst das Geld ins Haus, du hast das Haus gekauft und bezahlt. Aber du bist eine Gruppe, denn deine Verbindungen zu Mama sind doch nicht mehr da. Also ist Mama die zweite Gruppe. Sie ist genauso allein.« Sie kicherte. »Mama ist schon froh, wenn sie mal irgendwo zum Kaffee eingeladen ist und sich so richtig ausheulen kann. Harald und ich bezeichnen euch beide nicht als Ehepaar, sondern als zwei Gruppen. Die dritte Gruppe sind Harald und ich. Wir haben wenig Verbindung zu Mama und fast überhaupt keine zu dir. Daher die drei Gruppen.«
    »Das darf doch wohl nicht

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