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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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wünschen. Es hatte da etwas mit einem Spielzeuggeschäft in Oxford gegeben, erinnerte sich Widger. Auch noch anderes, obwohl ihm die Einzelheiten jetzt nicht einfielen…
    Blaß und erschöpft vom mangelnden Schlaf, aß Widger am Freitag mittag bei seiner Frau. Er blieb stumm und sie, als vernünftige Frau, auch. Nach dem Essen küßte er sie, kehrte in die Polizeistation zurück und stieg die Treppe zu seinem Büro hinauf. Hier fand er, wie erwartet, Ling an seinem Schreibtisch. Ling blätterte lustlos in einem Stapel Farbfotos der Leiche im Botticelli-Zelt. Als Widger hereinkam, hob er weder den Kopf, noch sagte er etwas. Widger betrachtete ihn einen Augenblick traurig, dann drehte er sich wortlos um und verließ das Büro.
    Er ging zu den Polizeiautos, stieg in seinen Cortina und fuhr allein nach Aller, um mit Gervase Fen zu reden.
     
     
    2
     
    Fen dachte nicht an den Mord.
    Statt dessen rauchte er eine Zigarette und las >The Times Literary Supplement< heutzutage vulgär >T. L. S< genannt, sogar ohne Punkt nach dem >S< eine von drei Sonderausgaben über moderne albanische Lyrik. Da das warme, sonnige Wetter anhielt, tat er das in einem Liegestuhl auf dem Rasen der Dickinsons neben dem Haus. Ellis, die Schildkröte, war schon seit vierundzwanzig Stunden oder länger nicht mehr erblickt worden und unternahm vermutlich einen zweiten Versuch des Winterschlafes; Stripey, der Kater, hatte sich zu einem seiner Befruchtungsausflüge entfernt. Rechts neben dem Liegestuhl, im Gras, lagen Fowles, John und Taylor, Elizabeth, vorübergehend beiseite geschoben. Links stand ein Transistorradio, das einen symphonischen Satz von etwas romantischer Färbung hervorbrachte; nach der außerordentlichen Länge, Leere und Unoriginalität des Satzes argwöhnte Fen, daß es sich um Mahler handelte. In der Ferne, nicht sichtbar, erzeugte der Pisser eine Art von Geräusch; es ließ an einen kleinen Katarakt denken, in dem ein Hornissenschwarm hauste. Und nah bei Fens Ohr war ein ganz leise knirschendes Geräusch hörbar, hervorgebracht von einer späten Wespe, die aus Gründen, die sie selbst am besten kannte, das Holz des Liegestuhls anbohrte.
    Fen dachte nicht an den Mord, weil er seit Montag angestrengt an seinem Buch arbeitete. Er hatte ein zweites Mal zur Polizeistation nach Glazebridge fahren müssen, aber zu Hause waren seine einzigen Besucher seine Haushälterin Mrs. Bragg und bei einer Gelegenheit der Major gewesen.
    »Edna O’Brien«, murmelte er, »ist die Kassandra weiblicher Erotik.« Sehr viel Vergnügen schienen Edna O’Briens Frauen aus dem Sex gewiß nicht zu ziehen. An ihrer Stelle hätte er aufgegeben.
    Ein Auto kroch langsam die Auffahrt herauf, und er betrachtete es. Es wurde gelenkt von Kriminalinspektor Widger, sah er, und Widger war allein. Vermutlich noch mehr Fragen.
    Widger erblickte Fen hinter der niedrigen Buchenhecke. Er hielt den Wagen vor dem kleinen Tor an, stieg aus, öffnete die Garagentür und ging zum Liegestuhl. Fen brachte Mahlers Geigen mit Hilfe eines nützlichen Knopfes zum Schweigen und stand auf, um seinen Besucher zu begrüßen.
    Er bot einen Drink oder Tee oder Kaffee an. Er bot den Liegestuhl an. Widger lehnte höflich alles ab und ließ sich mit einem zufriedenen Seufzen im Gras nieder.
    »Friedlich ist es hier«, sagte er.
    Also nicht ganz der übliche Amtsbesuch, dachte Fen und sank wieder in den Liegestuhl, an dem die Wespe immer noch bohrte.
    Widger starrte in die Ferne und schwieg so lange, daß Fen sich endlich zur Hilfe entschloß. Er sagte unverbindlich: »Ich hoffe, mit dem Fall läuft es gut.«
    »Nein.«
    »Das tut mir leid.«
    »Es ist eine verteufelte Geschichte«, sagte Widger etwas munterer. Er streckte die Beine aus und richtete den Blick auf die Schuhspitzen. »Glitschig, wissen Sie – nichts, was man festhalten kann.«
    »Ja, ich kann mir denken, daß es schwierig ist. Haben Sie die Leiche identifiziert?«
    »Nein.«
    »Oh«, sagte Fen und war froh darüber, daß Widger, der nach Burraford hinüberblickte, die Überraschung auf seinem Gesicht nicht sehen konnte.
    Und damit war Widger plötzlich die Zunge gelockert. Bei der Herfahrt hatte er dieses Gespräch sorgfältig geplant: Er wollte beiläufig sein, zuversichtlich; vor allem wollte er Zurückhaltung bewahren. Aber nun waren all seine guten Vorsätze plötzlich wie weggeschwemmt. Seine Verlegenheit verschwand, und er ertappte sich dabei, daß er redete und redete. Im Gras ausgestreckt, schilderte er Fen jede

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