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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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gingen sie weit auseinander und widersprachen sich sogar oft. Reporter trieben sich nach wie vor in der Gegend herum, doch Ling mied sie, so gut er konnte, und wenn eine Konfrontation unausweichlich war, sagte er beharrlich: »Kein Kommentar.« Auch sonst hatte die Presse nirgends Erfolg, und es blieb nur Ticehurst, dem Ling gelegentlich kleine, fast nutzlose Informationen zukommen ließ, aus denen Ticehurst, der gar nicht mehr er selbst zu sein schien, das Beste machen mußte.
    Für die Reporter war es eine unfruchtbare Zeit.
    Auch die gerichtliche Voruntersuchung am Dienstag nutzte ihnen nichts. Sie dauerte ungefähr zehn Minuten, bevor der Coroner sie auf Lings dringende Bitte hin auf drei Wochen vertagte. Die Leiche gab man zur Beerdigung frei, und am Donnerstag wurde sie aus Sir Johns Labor geholt und im billigsten Sarg, den es gab, verstohlen auf dem Friedhof von Glazebridge bestattet. Der Pfarrer nahm teil, um die letzten Worte am Grab zu sprechen, die Presse war anwesend, ebenso ein gelangweilt aussehender Constable und eine Anzahl Sensationslustiger, die mit dem Fall nichts zu tun hatten. Es gab jedoch keine Trauernden, so daß das Ganze rasch und flott abgewickelt wurde. Der eine Kranz ohne Schleife entpuppte sich später als von Dermot McCartney geschickt, weniger aus Trauer, als weil er glaubte, daß die Bräuche seiner neuen Heimat um jeden Preis eingehalten werden mußten.
    Inzwischen war die Polizei fieberhaft tätig gewesen und ohne jeden bedeutsamen Erfolg. Widger glaubte, daß es nie einen Fall mit so vielen möglichen Hinweisen und so wenigen Ergebnissen gegeben haben konnte.
    Der Chief Constable hatte widerstrebend eingeräumt, daß zusätzliche Leute gebraucht wurden, und sie waren beigezogen worden. Man führte Befragungen von Haus zu Haus durch; man versuchte die beiden Fremden zu identifizieren, die beim Fest im Botticelli-Zelt gewesen waren; man durchsuchte Schuppen nach kürzlich benutzten Spaten und blutbefleckten Hämmern; man durchkämmte Felder und Wälder und Gärten und Gebüsch an den Straßen nach frisch aufgeworfener Erde; man wühlte nach blutbespritzter Kleidung; man befragte jeden, dem ein Auto aufgefallen sein mochte, entweder am Freitag gegen Mitternacht am Aller House oder auf der Straße zu Sir John Honeybournes Haus zwischen sechs und sieben Uhr am Sonntag; man schrieb Berichte und Berichte und löste oft falschen Alarm aus. Widgers kleines Büro wurde überflutet von Papierstapeln, Akten, zusätzlichen Telefonen und Möbeln, und im Nebenzimmer sahen Rankine und Crumb sich ähnlich eingeengt.
    Und die Woche verrann, und nichts erbrachte etwas: Opfer und Mörder blieben gleichermaßen störrisch unbekannt.
    Die Zeugen wurden alle ein zweites Mal befragt, vermochten aber kein neues Licht auf das Problem zu werfen. Polizeitaucher stürzten sich in die Tiefen des Burr und Glaze und brachten diverses bedeutungsloses Gerümpel herauf, und es wurden sogar ein paar Polizeihunde mit ihren Führern eingesetzt, obschon Widger sich nicht vorstellen konnte, wozu sie gut sein sollten, da sie lediglich darauf dressiert waren, Leute umzustoßen oder sie zu beißen. Es blieben nur noch zwei Tage, bis das Ultimatum des Chief Constable am Sonntag ablief, und Widger und Ling waren keinen Schritt weiter als am Abend des vergangenen Sonntags.
    Es war kein Wunder, daß sie zunehmend mürrischer wurden und sich ihre Moral durch die Erkenntnis, daß die Nachricht über den frechen Diebstahl des Kopfes sich verbreitet hatte, nicht eben gestärkt sah. Ling nahm es sogar sehr schwer. Er schlich durch die Station und warf verstohlene Blicke über die Schulter auf die uniformierten Beamten, in tödlicher Angst davor, es könnte jemand hinter seinem Rücken über ihn grinsen; nach dem Mittwoch ging er immer seltener aus dem Haus, saß fast den ganzen Tag in Widgers Schreibtischsessel und las die Berichte immer wieder durch; er rauchte sogar weniger. Und Widger war, wenn auch nicht so tiefgreifend betroffen, ein ebenso durch und durch unglücklicher Mensch. Bis Freitag sprachen sie kaum noch miteinander.
    Es schien nur eine schwache Hoffnung zu geben.
    Im Gegensatz zu einer Mehrheit der Polizeibeamten hatte Widger keine großen Einwände oder Verachtung für Amateurdetektive, solange sie kein Beweismaterial manipulierten oder den Behörden nicht in die Quere kamen. Wenn sie Verbrechen aufklären konnten, indem sie nur in ihren Lehnstühlen saßen und nachdachten, konnte man ihnen nur recht viel Glück

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